Nachfolge auf Juncker "Timmermans ist ein No-Go"
Wer wird neuer EU-Kommissionspräsident? Der Streit darüber geht in die nächste Runde - unter chaotischen Umständen: Termine wurden mehrfach verschoben und es gehen Gerüchte um, wonach von der Leyen auch im Rennen sei.
Vor der Fortsetzung des EU-Gipfels zu den europäischen Spitzenposten sind die Fronten weiter verhärtet. Aus Osteuropa kommt weiter Widerstand gegen den vorgelegten Plan, den Sozialdemokraten Frans Timmermans aus den Niederlanden zum neuen Kommissionspräsidenten zu machen. Dieser Plan wird auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel mitgetragen. "Ich glaube, dass jeder verstehen muss, dass er sich ein wenig bewegen muss", sagte die CDU-Politikerin vor den neuen Verhandlungen. Dann gebe es "durchaus die Chance (...), Ergebnisse zu erzielen." Sie gehe "mit neuer Kreativität" und "fröhlich und bestimmt" an die Arbeit.
Der jüngste Gipfel zur Neubesetzung europäischer Spitzenjobs hatte am Sonntagabend begonnen - und scheiterte am Montag zunächst. Der Gipfel wurde vertagt.
Beginn des Gipfels mehrfach verschoben
Das Termine-Verschieben geht auch heute weiter: Der Gipfel sollte eigentlich um 11 Uhr beginnen, dann wurde der Beginn auf 13 Uhr verschoben, später dann auf 14 Uhr - und nun auf 15.15 Uhr. Wie ein Sprecher von Donald Tusk erklärte, würde der EU-Ratspräsident weiter mit den EU-Staats- und Regierungschefs beraten, um die Blockade bei der Besetzung der EU-Spitzenjobs aufzulösen.
Im Zentrum des Diskussionen steht der Posten des Kommissionspräsidenten. Nachdem der konservative Kandidat Manfred Weber (CSU) bei einem vorangegangenen Treffen keine ausreichende Unterstützung erhalten hatte, hatten Merkel und ihre Kollegen aus Frankreich, Spanien und den Niederlanden den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans als Juncker-Nachfolger vorgeschlagen.
Visegrad-Staaten geben Kontra
Der Vorschlag stieß aber auf massiven Widerstand bei mehreren Staaten aus Osteuropa sowie bei Italien. Der tschechische Regierungschef Andrej Babis sagte, die osteuropäischen Visegrad-Staaten seien einer Meinung: "Timmermans ist ein No-Go". Zu der Gruppe gehören neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei.
Zur Begründung sagte Babis, Timmermans habe als Vize-Kommissionspräsident die Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen vorangetrieben. Zudem halte er an Aufnahmequoten für Flüchtlinge fest, die die Osteuropäer ablehnen. Statt Timmermans ist für Babis die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ein "erstklassiger Name" für die Kommissionsspitze.
Manfred Weber und Frans Timmermans: Wird einer von beiden EU-Kommissionspräsident?
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte dagegen, sein Parteifreund Weber sei "bestens für den Kommissionspräsidenten geeignet", auch wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ihn wegen mangelnder Erfahrung ablehne. "Sie sehen an der ganzen Schacherei, dass da immer alles möglich ist", sagte Söder im Radiosender Bayern 2. Auch der CDU-Europapolitiker Daniel Caspary betonte: "Wir unterstützen Weber."
Von der Leyen plötzlich im Gespräch
Im Laufe des Tages kamen sogar Gerüchte auf, wonach ganz andere, neue Namen als mögliche Nachfolger Junckers gehandelt werden. Mit dabei: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Aus Diplomatenkreisen ist zu hören, die Idee stamme unter anderem von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron.
Auch über sie wird heute in Brüssel gesprochen: Ursula von der Leyen.
Die Idee hätte einen Vorteil: Mit von der Leyen an der Kommissionsspitze würden sich auch die Gewinner der Europawahl, die Christdemokraten, auf Europas Spitzenposten wiederfinden. Im Gegenzug solle die Französin Christine Lagarde vom Internationalen Währungsfonds an die Spitze der Europäischen Zentralbank wechseln, munkelt man in Brüssel. Teil dieses Personalpakets wäre, dass der abgewählte liberale belgische Premier Charles Michel Ratspräsident würde, CSU-Mann Manfred Weber könnte eventuell noch das Europaparlament leiten.
Einziges Problem dieses Gerüchts: Es sind damit zwei Deutsche im Rennen, was normalerweise nach europäischer Rechnung einer zu viel wäre. Ob und wann heute eine Entscheidung fällt, das ist weiter unklar. Nötig für eine Mehrheit sind mindestens 21 von 28 EU-Staaten, die dann auch noch für fast zwei Drittel der europäischen Bevölkerung stehen müssen.
Hoffnung auf ein "Reboot"
Gipfelteilnehmer hoffen auf eine Lösung der Probleme. Gestern sei die Debatte zunehmend chaotisch verlaufen, weil immer neue Namen für das EU-Personaltableau ins Spiel gebracht worden seien, sagte ein EU-Diplomat. Dieses umfasst auch die Posten des EU-Ratspräsidenten, des Parlamentspräsidenten, des Außenbeauftragten und des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel zeigte sich überzeugt, dass nun ein Durchbruch möglich sei. Der liberale Politiker machte die Konservativen für die Probleme verantwortlich: "Ich hoffe, dass es bei der EVP einen Reboot gab, die haben gestern wirklich einen Bug gehabt." Auch in der EVP hatte es massiven Widerstand gegen Merkels Timmermans-Plan gegeben.
Mit Informationen von Malte Pieper, ARD-Studio Brüssel