Urteil des EuGH Polens Justizreform verletzt EU-Recht
Ein Teil der umstrittenen Justizreform in Polen verstößt gegen EU-Recht. Der Europäische Gerichtshofs erklärte die Zwangspensionierung von Richtern für illegal. Das entsprechende Gesetz ist bereits ausgesetzt.
Die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern in Polen ist nicht mit EU-Recht vereinbar. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die EU-Kommission hatte das Verfahren gegen Polen angestrengt.
Im Urteil der Richter heißt es, die Herabsetzung des Rentenalters sei "durch kein legitimes Ziel gerechtfertigt". Sie beeinträchtige den Grundsatz der richterlichen Unabsetzbarkeit. Diese sei aber untrennbar mit der Unabhängigkeit von Richtern verknüpft.
Mehr als 20 Juristen betroffen
Die Herabsetzung des Rentenalters der obersten Richter ist Teil der Justizreform in Polen. Polens nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS hatte das Renteneintrittsalter oberster Richter von 70 auf 65 Jahre gesenkt. Jeder dritte Richter hätte demnach in Ruhestand gehen müssen - es sei denn, der polnische Präsident hätte einer Verlängerung ihrer Amtszeit zugestimmt.
Die EU-Kommission sah dadurch die Unabhängigkeit der Justiz bedroht. Kritiker warfen der polnischen Regierung vor, sie wolle missliebige Richter loswerden - allen voran die Präsidentin des Gerichts, Malgorzata Gersdorf. Sie hatte wiederholt sämtliche Justizreformen in Polen scharf kritisiert. Insgesamt hätte die Reform mehr als 20 Juristen betroffen.
Die vorzeitig pensionierten Richter nahmen ihre Arbeit im vergangenen Jahr bereits wieder auf - nach einer einstweiligen Verfügung des EuGH. Die Regierung in Warschau setzte das fragliche Gesetz bis zur endgültigen rechtlichen Klärung aus.
Weitere Urteile erwartet
Das heutige Urteil ist das erste zur umstrittenen Justizreform. 2017 hatte die polnische Regierung das Renteneintrittsalter auch an normalen Gerichten gesenkt: von 67 Jahren auf 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen. Dagegen hatte die EU-Kommission ebenfalls eine Klage beim EuGH eingereicht.
Hinzu kommt ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU-Kommission gegen Polen. Ein solches Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gab es gegen einen Mitgliedsstaat noch nie. Der Vorwurf: Polen gefährde mit seiner Gesetzgebung die Grundwerte der Europäischen Union. Im äußersten Fall könnte das - theoretisch - zum Entzug von Stimmrechten Polens führen. Die gilt aber als unwahrscheinlich.
Aktenzeichen: C-619/18
Mit Informationen von Klaus Hempel, ARD-Rechtsredaktion