EuGH-Urteil Inhaftierter Katalane genießt Immunität
Spanien hat laut EuGH gegen EU-Recht verstoßen, indem es einem inhaftierten katalanischen EU-Abgeordneten seinen Amtsantritt verweigerte. Denn dieser habe bereits direkt nach seiner Wahl parlamentarische Immunität gehabt.
Der inhaftierte katalanische Separatistenführer Oriol Junqueras ist von den spanischen Behörden zu Unrecht an der Aufnahme seines Mandats als Europaabgeordneter gehindert worden. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH). Nach dem Urteil der Luxemburger Richter greift die Immunität von Europaabgeordneten bereits vor Beginn der Sitzungsperiode - und zwar sobald das Wahlergebnis verkündet ist.
Der frühere Vizepräsident der autonomen Regierung von Katalonien war nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 in Untersuchungshaft genommen worden. Er hatte dabei eine Schlüsselrolle gespielt. Im Oktober dieses Jahres wurde Junqueras gemeinsam mit anderen katalanischen Separatistenführern wegen Aufruhrs zu 13 Jahren Haft verurteilt. Er erhielt zudem ein Amtsverbot für die Dauer seiner Haft.
Spanien hätte Aufhebung der Immunität beantragen müssen
Doch schon im Mai war er zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt worden. Allerdings durfte Junqueras das Gefängnis nicht verlassen, um den Eid auf die spanische Verfassung leisten zu können, der nach nationalem Recht für Europaabgeordnete vorgeschrieben ist. Infolgedessen erklärte die spanische Wahlkommission den Sitz von Junqueras für vakant und setzte alle mit dem Amt verbundenen Rechte aus. Zu unrecht, wie der EuGH nun entschied.
Die Luxemburger Richter erklärten die spanischen Rechtsvorgaben für zweitrangig: "Der Status eines Mitglieds des Europäischen Parlaments ergibt sich ausschließlich aus der Wahl der betreffenden Person." Demnach genoss Junqueras ab Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse der EU-Wahl in Spanien parlamentarische Immunität. Das hätte ihm erlaubt, "zur Eröffnungssitzung des neu gewählten Europäischen Parlaments zu reisen und an ihr teilzunehmen". Die spanischen Behörden hätten den Katalanen in jedem Fall zu diesem Zweck aus der Untersuchungshaft entlassen müssen. Anschließend hätte Madrid dem Urteil zufolge die Möglichkeit gehabt, beim EU-Parlament die Aufhebung der Immunität zu beantragen, um die Untersuchungshaft und den Prozess gegen den katalanischen Politiker fortzusetzen.
Auch Puigdemont von Urteil betroffen?
Das EuGH-Urteil gilt Nachrichtenagenturen zufolge auch für den im Exil lebenden katalanischen Ex-Regierungschef Carles Puigdemont. "Die Entscheidung des EuGH gilt für alle im Mai gewählten EU-Abgeordneten", zitiert die Agentur AFP aus Gerichtskreisen. Neben Junqueras wurden auch Puigdemont sowie der ebenfalls exilierte Regionalparlamentsabgeordnete Toni Comín im Mai ins EU-Parlament gewählt. Wie Junqueras verweigerten die spanischen Behörden auch ihnen die Aufnahme ihres Mandats, ihre Sitze im EU-Parlament blieben vakant.
Das EuGH-Urteil könnte auch für den früheren katalanischen Regierungschef, Carles Puigdemont, Auswirkungen haben.
Gegen Puigdemont und Comín liegen zum wiederholten Mal europäische Haftbefehle vor, über deren Vollstreckung die belgischen Behörden bislang nicht entschieden. Die Gültigkeit des Urteils und der Haftbefehle ist infolge des EuGH-Entscheids nun fraglich.
Spanische Richter sind jetzt am Zug
Auch wenn die Richter die Position der EU-Abgeordneten gegenüber ihren Heimatstaaten stärkten, bleibt unklar, welche konkreten Folgen die EuGH-Entscheidung hat. Junqueras verlor seine bürgerlichen Rechte, ihm wurde die Wählbarkeit entzogen. Es kommt nun darauf an, wie der Oberste Gerichtshof in Madrid die Hinweise des EuGH aufnimmt. Er muss darüber entscheiden, ob das Urteil am rechtlichen Status von Junqueras etwas ändert.