Zufriedenheitheit nach EU-Kompromiss Gipfel des Glücks
Solche Szenen waren im EU-Umfeld zuletzt rar: Gelöste Staats- und Regierungschefs, Zufriedenheit allüberall. Polen und Italiener setzten sich mit ihren Sonderwünschen nur soweit durch, dass es niemandem weh tat.
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
Was will man mehr: Mit einem mal scheinen alle wichtigen Leute in der EU tief bewegte, glückliche Menschen zu sein. Portugals Premierminister Socrates, der jetzt vor der europäischen Geschichte einen "Vertrag von Lissabon" vorweisen kann; Polens Präsident Lech Kaczinski, der seinen Landsleuten kund tat, am Verhandlungstisch einen ungeheuren Sieg für Polen errungen zu haben.
Und dann gab's da unter den triumphierenden Staats- und Regierungschefs auch noch Angela Merkel. Die Kanzlerin trat vergleichsweise bescheiden ins Rampenlicht dieses Gipfels: "Ich bin rundum zufrieden." Die Arbeit der deutschen Präsidentschaft habe sich ausgezahlt und sie wolle der portugiesischen Präsidentschaft "ein ganz herzliches Dankeschön sagen – dafür, dass wir nahtlos zusammengearbeitet haben". Dies sei ein Erfolg für die gesamte EU.
"Im Grunde war die Sache ganz einfach"
Nach zwei gescheiterten Referenden, nach tiefer Krise und Lähmung soll sich die EU mit neuen Mechanismen und reformierten Institutionen endlich wieder nach vorne bewegen. Die Deutschen haben vorbereitet, was die Portugiesen vollenden. Fast hätte man da noch einen vergessen: "Im Grunde war die Sache einfach", lobte sich Frankreichs Präsident Sarkozy – er habe den Polen und auch den Italienern im Auftrag seiner Kollegen Lösungsvorschläge präsentiert, so sei der Kompromiss dann zustande gekommen.
Jeder hat nun mal seine eigene Version des Erfolgs, am Ende zählt das Ergebnis. Warschau wird nun doch ein befristetes Vetorecht bei Entscheidungen eingeräumt. Allerdings wird die Klausel nicht im Vertrag sondern nur im Protokoll aufgenommen. Italien bekommt einen Sitz mehr im verkleinerten Europäischen Parlament, um sich gegenüber Frankreich und Großbritannien nicht benachteiligt fühlen zu müssen. Und sogar den Bulgaren wird das Recht zugestanden, den Euro – wenn sie ihn denn irgendwann mal bekommen – nicht Euro sondern Evro nennen zu dürfen.
Europäische Grundsanierung
Fast haben die polnischen und italienischen Empfindlichkeiten bei diesem Gipfel den Blick für den eigentlichen Sinn der Reformen verstellt: Die erweiterte EU will sich von Grund auf sanieren, um in Zeiten der Globalisierung handlungsfähig zu sein. Statt monatelang um einstimmige Beschlüsse zu ringen, können die Regierungen nun mit klarer Mehrheit entscheiden. Die EU-Kommission wird verschlankt, das Parlament wird verkleinert, ein Ratspräsident und eine Art Außenminister geben der EU international Gesicht und Profil.
Es ist nicht das, was sich überzeugte Europäer vor Jahren erträumten; keine Verfassung, kein Staatenverbund mit Hymne und Fahnen. Das haben weder Franzosen noch Holländer noch Briten gewollt. Aber der Vertrag, so wie er nun vorliegt, ist gut genug für Merkel. Und sie will keine Zeit mehr verlieren: "Die Bundesregierung wird jedenfalls alles dafür tun, dass wir diesen Vertrag zügig ratifizieren können."
Alle Mitgliedsstaaten sollen den Reformvertrag möglichst schnell unterschreiben, damit er 2009 in Kraft tritt. In Deutschland wird er schon Mitte Dezember dem Kabinett vorgelegt – fast so, als wäre es ein Weihnachtsgeschenk.