Spannungen in Moldau "Pro-europäischer Kurs ernsthaft in Gefahr"
Die pro-westliche Regierung in Chisinau ist unter Druck. Es wächst die Sorge, dass Russland durch Desinformation und das Schüren innenpolitischer Spannungen Moldau von seinem Kurs gen Europa abbringen könnte.
Die kleine Ortschaft Purcari im Südosten der Republik Moldau ist nur wenige Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Als der Krieg im Nachbarland begann, war das Dorf für tausende ukrainische Flüchtlinge ein erster Zufluchtsort.
Olga lebt hier mit ihrer Familie in einem kleinen Haus mit Gemüsegarten. Jetzt wo der Frühling da ist, ist sie damit beschäftigt, die Beete zu bepflanzen. Doch Olga sitzt auf gepackten Koffern.
"Natürlich macht mir die Situation Angst", sagt sie. "Wir haben ein Auto vor der Tür und eines im Hof, das mit allem Notwendigen gepackt ist um jederzeit aufbrechen zu können. Eine Bombe auf Moldau reicht doch aus und das Land ist erledigt. Unser ganzes Leben haben wir versucht, hier etwas aufzubauen, aber jetzt ist alles kompliziert."
Horrende Energiepreise lassen wenig zum Leben
Die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind überall im Land zu spüren. Horrende Energiepreise fressen zwei Drittel des durchschnittlichen Monatseinkommens von 500 Euro. Viele müssen an allen Ecken und Enden sparen.
Elena, die auf dem zentralen Markt in der Hauptstadt Chisinau Zwiebeln und Knoblauch verkauft, hat kaum noch Kunden. "Manche kaufen hier nur noch eine Zwiebel, wenn es hoch kommt ein halbes Kilo", beschreibt Elena die Situation. "Manche schauen einfach nur - die Leute haben kein Geld. Und das ist wirklich schwierig."
Moskau will pro-westliche Regierung unter Druck setzen
Im Herbst vergangenen Jahres kürzte der russische Gasmonopolist Gazprom die Gaslieferungen drastisch. Das führte zu einem rasanten Anstieg der Energiepreise. Moldau konnte zwar verhältnismäßig schnell alternative Bezugsquellen erschließen, vor allem über Rumänien, doch die Preise blieben hoch.
Dies sei einer der Versuche Russlands, die pro-westliche Regierung in Chisinau unter Druck zu setzen, meint der moldauische Energieexperte Sergiu Tofilat. Putins Agenda in Moldau sei es, die Glaubwürdigkeit der Regierung zu untergraben. Die Botschaft sei, "dass man günstigere Preise haben könne, wenn man mit Putin redet. Aber das ist nicht die Art, wie wir die Dinge angehen sollten. Denn wir verstehen sehr gut, dass Putin nichts umsonst anbietet." Die Unabhängigkeit von Moldau stehe nicht zum Verkauf.
Ziel: "Neuwahlen und ein Marionettenregime"
Moskau verfolge das Ziel, vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen, um dann ein Marionettenregime zu installieren, so Tofilat weiter.
Fast zeitgleich mit Gazproms Kürzungen der Gaslieferungen organisierte die Partei des pro-russischen Oligarchen Ilan Shor Proteste gegen die pro-europäische Regierung der Pas-Partei. Nachweislich wurden die Demonstrierenden bezahlt. Unklar ist bislang aber, ob das Geld dafür auch aus Russland kam.
Im Interview zeigte sich der moldauische Verteidigungsminister Anatolie Nosatii äußerst besorgt: "Einigen - auch Ländern wie Russland - gefällt es nicht, wenn Moldau zu einem wohlhabenden Land wird. Oligarchen und Kriminelle wollen Moldau kontrollieren und ihr Geschäft fortführen. Das ist nicht im Interesse des Volkes."
Deswegen würden diese versuchen, die Situation zu destabilisieren: "Dafür zahlen sie eine Menge Geld und bringen Leute hier hin, um eine angespannte Lage zu erzeugen." Problematisch sei in dem Zusammenhang auch, dass pro-russische Oligarchen über von ihnen kontrollierte Fernseh- und Radiostationen gezielt Desinformationen verbreitet hätten.
Moldauische Regierung "muss bald liefern"
Dennoch weiß Nosatii auch, dass seine Regierung letztlich daran gemessen wird, ob es ihr gelingt, die wirtschaftliche Situation der Menschen nachhaltig zu verbessern: "Um den Menschen zu helfen, die Krise zu überwinden, übernimmt der Staat im Winter einen großen Teil der Kosten für Gas, Heizung und Elektrizität. Wir haben die Renten und Gehälter erhöht. Natürlich ist nicht alles so, wie es sein sollte." Aber es sei viel besser als vorher.
Angesichts einer Inflation von 30 Prozent und der Verunsicherung der Bevölkerung wegen des Kriegs in der Ukraine steht die Regierung in Chisinau vor gewaltigen Aufgaben. Und sie müsse bald liefern, sonst sei der pro-europäische Kurs ernsthaft in Gefahr, meint der moldauische Politologe Ion Tabirta. Der Lebensstandard der Bürger müsse sich dringend verbessern.
"Das ist wichtig, wenn wir die Zahl der Antieuropäer und Skeptiker verringern wollen", so Tabirta. "Die Regierung muss die Wirtschaftsleistung und den Lebensstandard der Bürger anheben. Denn Russland hat Unterstützer in den russischsprachigen Milieus, unter der ethnischen Minderheit und in den ärmsten Teilen der Gesellschaft."
Die Kommunalwahlen in Moldau im Herbst werden da ein wichtiger Stimmungstest sein.