Treffen der EU-Außenminister "Putin sollte umkehren - wie Prigoschin"
Der Aufstand und der plötzliche Rückzug der Wagner-Truppe lässt viele Fragen offen. Nur eins scheint für die EU-Außenminister sicher: Der Machtkampf in Moskau ist längst nicht vorbei.
Was genau ist da in Russland am Wochenende eigentlich passiert? Welche Absprachen gibt es zwischen Präsident Putin und Wagner-Chef Prigoschin? Wo hält sich der Anführer der Privatarmee mit seinen Leuten gerade auf? Und welche Rolle spielt der belarusische Diktator Lukaschenko?
Nach dem unerwarteten Aufstand der Söldnertruppe und seinem genauso plötzlichen Ende sind für die EU-Außenministerinnen und -minister noch viele Fragen offen. Für EU-Chefdiplomat Josep Borrell ist seit diesem Chaos-Wochenende in Russland "die wichtigste Erkenntnis, dass der von Putin entfesselte Krieg gegen die Ukraine und das Monster, dass Putin mit der Wagner-Gruppe geschaffen hat, sich jetzt gegen seinen Schöpfer richten".
Baerbock verschiebt Afrika-Reise
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat eine lange geplante Südafrika-Reise um einen Tag verschoben, um bei dem EU-Treffen in Luxemburg dabei sein zu können. Auch sie spricht von einem innenpolitischen Machtkampf in Russland, in den sich Europa nicht einmischen werde.
"Es ist nach wie vor unklar, was dort geschieht. Ich sage ganz klar: Was dort geschieht und nicht, was dort geschah", so Baerbock. Denn es sei offensichtlich nur ein Akt in diesem russischen Schauspiel. "Was aber sehr klar ist: Mit diesem brutalen Angriffskrieg zerstört Putin sein eigenes Land."
Putins Regime geschwächt
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg vergleicht Wladimir Putin mit Goethes Zauberlehrling. Auch der russische Präsident werde die Geister, die er gerufen habe, jetzt nicht mehr los. "Ich würde mal so sagen: Putin sollte sich an Prigoschin ein Beispiel nehmen und ebenfalls umkehren."
Und auch darin sind sich die EU-Chefdiplomaten einig: Für das Regime Putin bedeuten die Ereignisse vom Wochenende eine deutlich sichtbare Schwächung. Dass sich im russischen Machtapparat erste Risse zeigen, kommt für Finnlands neue Außenamtschefin Elina Valtonen nicht unerwartet. "In jedem autoritären Staat ist es so, dass alles sehr stabil scheint, bis eines Tages nichts mehr stabil ist. Ich gehe davon aus, dass es mit Russland auch so weitergehen wird."
Genauso unvorhersehbar wie die weitere Entwicklung in Moskau sind die möglichen Konsequenzen aus der Revolte der Wagner-Gruppe - etwa für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder die Aktivitäten der Söldnerarmee in anderen Ländern wie Mali, Libyen oder dem Sudan.
Gefahr für Europas Sicherheit?
Sollte Wagner-Chef Prigoschin seine Leute jetzt tatsächlich in Belarus zusammenziehen, wäre das aber auch eine Gefahr für die Sicherheit Europas, sagt der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis. "Es hat nur einen halben Tag gebraucht, um Militäreinheiten bis 200 Kilometer vor Moskau zu bringen. Wie schnell können die wohl durch Belarus marschieren und an der Grenze von Litauen auftauchen? Wir müssen auch unsere Lage im Auge behalten und extrem ernst nehmen."
Klar ist: Für die militärische Unterstützung der Ukraine stellt die EU frisches Geld zur Verfügung. Der europäische Friedensfonds, der einen Großteil der Rüstungshilfe - auch für andere Partnerländer - finanziert, wird um 3,5 Milliarden Euro aufgestockt. Eigentlich wollte die Ministerrunde heute bereits die Auszahlung von weiteren 500 Millionen für Kiew freigeben.
Allerdings blockiert Ungarn den entsprechenden Beschluss, weil die größte Bank des Landes auf einer ukrainischen Liste mit Unterstützern von Russlands Angriffskriegs geführt wird. Für das ungarische Veto haben die anderen Mitgliedsstaaten kein Verständnis. Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra sagt es so: "Diese Verzögerung ist mehr als unglücklich. Das muss und kann viel schneller gehen."