Silvio Berlusconi
Nachruf

Zum Tod von Berlusconi Ein Mann mit Geld, Einfluss und Schlagzeilen

Stand: 12.06.2023 13:52 Uhr

Niemand war länger Ministerpräsident in Italien als er: Berlusconi hat die Politik des Landes nachhaltig beeinflusst. Der im Alter von 86 Jahren gestorbene Medienmogul sorgte über Jahrzehnte auch international für Schlagzeilen. Ein Nachruf.

Silvio Berlusconi hat Italien geprägt, über viele Jahrzehnte, und dem Land unter anderem den politischen Populismus und das Privatfernsehen gebracht. Als TV-Unternehmer wurde der gebürtige Mailänder bekannt und reich. Zum Medienmogul wurde Berlusconi aber mehr durch Zufall. Seine ersten Millionen verdiente er als Bauunternehmer.

"Für mich war klar, dass ich nicht als Angestellter für jemand anderen arbeiten, sondern selbstständig sein wollte", erzählt er in einem Interview aus der Zeit seines politischen Aufstiegs. "Ich wollte Unternehmer werden - und in der Zeit gab es den Bauboom."

Italien trauert um den ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi

Rüdiger Kronthaler, ARD Rom, tagesthemen, 12.06.2023 22:15 Uhr

Wohlhabend und einflussreich

Ende der 1960er-Jahre baute Berlusconi ein Wohnviertel im Norden Mailands. Um den Kauf der Immobilien anzukurbeln, bot er ein Stadtteilfernsehen an - das für ihn später das Sprungbrett war, um in den neuen privaten TV-Markt in Italien einzusteigen und diesen schnell zu dominieren. Berlusconi wurde zu einem der wohlhabendsten Männer des Landes. Außer Fernsehsendern und Zeitungen gehörten ihm Banken, Supermärkte, Versicherungskonzerne und der Fußballclub AC Mailand, den er für einige Jahre zum erfolgreichsten Europas machte.

1993 folgte dann Berlusconis Einstieg in die Politik - mit Worten, die in Erinnerung blieben: "Italien ist das Land, das ich liebe. Hier habe ich meine Wurzeln, meine Hoffnungen und meine Horizonte" - so begann seine Videobotschaft, die von seinen Fernsehsendern ausgestrahlt wurde und die ihn an einem Schreibtisch vor einem Bücherregal mit Familienfotos zeigte.

Bill Clinton (l.) und Silvio Berlusconi im Juni 1994

Der damalige US-Präsident Bill Clinton (l.) und Silvio Berlusconi kurz nach seiner Wahl zum italienischen Ministerpräsidenten im Juni 1994.

Wahlkampf über die eigenen Fernsehsender

Berlusconi nutzte damals ein politisches Vakuum im Mitte-Rechts-Spektrum Italiens: Die jahrzehntelang regierende christdemokratische Partei war Anfang der 1990er-Jahre infolge eines Korruptionsskandals zerbrochen. Berlusconi gründete Forza Italia und kandidierte als Ministerpräsident. Seine Fernsehsender nutzte der Multi-Milliardär für politische Werbung und machte Wahlkampf im Stil US-amerikanischer Parteien inklusive einer selbst komponierten Parteihymne.

Berlusconi gewann die Wahl 1994 gegen eine über Monate in den Umfragen führende Mitte-Links-Koalition und wurde zum ersten Mal Ministerpräsident.

Berlusconi enttabuisierte in dieser Zeit die extreme Rechte im Land, die Lega Nord und die ehemaligen Neofaschisten des MSI waren Teil seines Wahlbündnisses. Der in die Politik gewechselte Medienmogul holte beide Parteien nach dem Wahlsieg auch in die Regierung. 2008 wurde die heutige Regierungschefin Giorgia Meloni unter ihm Jugendministerin.

Lange Amtszeit mit vielen Schlagzeilen

Später, als die anderen Parteien der Rechten seine Forza Italia im Wählerzuspruch überflügelten, erinnerte Berlusconi in einem Fernsehinterview daran, dass er diese Parteien politisch hoffähig gemacht hat: "Die anderen Parteien hatten Lega und Faschismus nie erlaubt, an die Regierung zu kommen. Wir haben sie 1994 reingeholt."

Viermal ist Berlusconi Ministerpräsident gewesen, insgesamt fast zehn Jahre - so lange wie kein anderer in Italien seit Kriegsende. Immer wieder sorgte Berlusconi in dieser Zeit für Schlagzeilen, unter anderem als er 2003 den Sozialdemokraten Martin Schulz im Europaparlament für die Filmrolle eines KZ-Aufsehers empfahl.

Mehrmals stand Berlusconi vor Gericht. International sorgten die Verfahren zu erotischen Festen für Aufsehen, den sogenannten Bunga-Bunga-Partys.

Matteo Salvini (l.), Silvio Berlusconi, Giorgia Meloni auf der Piazza del Popolo in Rom vor den Parlamentswahlen im September 2022.

Matteo Salvini (l.), Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni auf der Piazza del Popolo in Rom vor den Parlamentswahlen im September 2022.

30 Verfahren, eine Anklage

Berlusconi beklagte, die italienische Justiz verfolge ihn aus politischen Gründen: "Die faktische Souveränität in diesem Land liegt nicht mehr beim Parlament, sondern sie gehört den linken Staatsanwälten und Richtern." In fast allen Prozessen gewann Berlusconi - weil er gute Anwälte hatte, von maßgeschneiderten Gesetzen profitierte, häufig aber auch, weil es seinen Anklägern am Ende an Beweisen fehlte.

In über 30 Verfahren ist Berlusconi ein Mal rechtskräftig verurteilt worden, 2013 wegen Steuerhinterziehung. Als Strafe musste der einst mächtigste Mann des Landes Sozialdienst in einem Altersheim leisten.

Leukämieerkrankung wurde im April bekannt

Danach war Berlusconi wieder als Chef der Forza Italia politisch aktiv. 2019 zog er ins Europaparlament ein, Anfang 2022 bemühte er sich vergeblich um das Amt des Staatspräsidenten. Einige Monate später aber gehörte Berlusconi als Teil der Rechtskoalition um Giorgia Meloni zu den Wahlsiegern und zog wieder in den Senat ein.

In den vergangenen Monaten musste Berlusconi häufig ins Krankenhaus. Im April gaben seines Ärzte bekannt, dass er an chronischer Leukämie leide. Am Freitag war Berlusconi erneut ins Krankenhaus San Raffaele in Mailand gebracht worden.

Zunächst hatte es geheißen, Berlusconi würde sich dort nur Routineuntersuchungen unterziehen. Am späten Vormittag meldete Italiens größte Tageszeitung "Corriere della Sera" als erste den Tod Berlusconis.

Jörg Seisselberg, ARD Rom, tagesschau, 12.06.2023 10:58 Uhr