Verstoß gegen das Völkerrecht? EU-Außenbeauftragter Borrell blitzt mit Vorschlag ab
Kurz vor dem EU-Außenministertreffen wagt der Außenbeauftragte Borrell einen brisanten Vorschlag: Wegen möglicher Verstöße gegen das Völkerrecht in Gaza will er den Dialog mit Israel aussetzen. Die Chancen dafür sind aber gering.
Der Vorstoß von Joseph Borrell habe wenig Aussicht auf Erfolg, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Brüssel. Letztlich bedürfe es einer einstimmigen Entscheidung der EU-Außenminister, und die sei nicht in Aussicht.
Der EU-Außenbeauftragte hatte vorgeschlagen, einen Teil der politischen Gespräche mit Israel auszusetzen. Das geht aus einem Brief Borrells an die EU-Außenminister hervor, über den mehrere Diplomaten berichteten. Darin äußert Borrell "ernsthafte Bedenken über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Gaza".
Diese Bedenken seien "von Israel bisher nicht ausreichend ausgeräumt" worden. "Angesichts dessen werde ich vorschlagen, dass die EU die Menschenrechtsklausel anwendet, um den politischen Dialog mit Israel auszusetzen", schrieb Borrell.
Gesamtes Abkommen steht nicht in Frage
Am kommenden Montag treffen sich die Außenminister der EU in Brüssel zu ihrer nächsten Ratssitzung. Es ist das letzte Treffen unter Borrells Vorsitz. Dann soll auch über die jüngste Initiative des EU-Außenbeauftragten gesprochen werden.
Konkret geht es um die regelmäßigen Treffen auf Ministerebene, die als so genannter politischer Dialog Teil eines Assoziationsabkommens der EU mit Israel sind. Dieser Dialog sieht einen Austausch zur Stärkung der Beziehungen und zur Weiterentwicklung der Partnerschaft vor. Festgehalten ist dort auch, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie beruhen.
Mit dem Aussetzen der Treffen würde allerdings nicht gleich das gesamte Abkommen außer Kraft gesetzt, das in den 1990er-Jahren ausgehandelt wurde und im Jahr 2000 in Kraft trat. Beim Partnerschaftsabkommen geht es auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie, Verkehr und Tourismus.
Spanien und Irland forderten Maßnahmen
Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen gibt es auch aus den Reihen der EU-Mitgliedstaaten immer wieder. Auf weitreichende Sanktionen hat die Union bislang allerdings verzichtet. Spanien und Irland hatten schon vor Monaten angeregt, das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auf den Prüfstand zu stellen.
Länder wie Ungarn und Tschechien stehen bislang klar auf der Seite Israels. Wie sich die Bundesregierung positionieren wird, war zunächst unklar. In den vergangenen Monaten äußerten sich Vertreter mehrfach kritisch zu Vorstößen für Strafmaßnahmen, da Gesprächskanäle offen gehalten werden müssten.
UN sehen systematische Verletzung
Das UN-Menschenrechtsbüro hatte vergangene Woche erklärt, dass fast 70 Prozent der verifizierten Kriegstoten in Gaza Frauen und Kinder seien und dies als systematische Verletzung der Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts verurteilt.
Israel wies den Bericht kategorisch zurück und erklärte, sein militärisches Vorgehen entspreche "den Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit, und ihm geht eine sorgfältige Abwägung möglicher Schäden für die Zivilbevölkerung voraus".
Mit Informationen von Thomas Spickhofen, ARD-Studio Brüssel