Vorfälle in der Ostsee Warum Unterwasserkabel so schwer zu schützen sind
Die Beschädigung von gleich zwei Datenkabeln in der Ostsee zeigt, wie verwundbar die Infrastrukturen und damit die Gesellschaften sind. Wie viele Datenkabel gibt es weltweit - und wie werden sie geschützt?
Wie viele Datenkabel gibt es weltweit?
Weltweit liegen mehrere Hundert Datenkabel mit einer Gesamtlänge von mehr als einer Million Kilometern auf dem Meeresgrund. Über sie läuft 99 Prozent des weltweiten Internet-Verkehrs. Europa ist über etwa 250 land- und seegestützte Leitungen mit dem Rest der Welt verbunden. Allein 17 dieser Verbindungen gibt es zwischen Europa und Nordamerika.
In der Ostsee verbinden mehrere Dutzend Unterseekabel die Anrainerstaaten miteinander. Durch die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in der Ostsee verlaufen insgesamt 16 Unterwasserkabel, teilte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie auf Anfrage von tagesschau.de mit. Davon seien neun Hochspannungskabel, sechs dienten der Datenübertragung.
Wie häufig werden Unterseekabel beschädigt?
Unterseekabel sind dick ummantelt, um sie gegen physische Schäden zu schützen. Dennoch müssen dem Datenanbieter TeleGeography zufolge jede Woche zwei- bis viermal Teams ausrücken, um Defekte zu beheben. Je nach Meerestiefe und Schwere der Schäden kann eine Reparatur mehrere Wochen dauern.
Das Europaparlament stellte in einer Studie vom Sommer 2022 fest, dass mehr als die Hälfte der Ausfälle auf menschliche Fehler zurückzuführen seien. Mit 40 Prozent seien Schleppnetze von Fischern der größte Risikofaktor, Schiffsanker ein weiterer. Natürliche Ursachen wie Seebeben, Stürme oder Korrosion seien für etwa ein Fünftel der Defekte verantwortlich.
Was geschieht beim Ausfall solcher Kabel?
Weder Überland- noch Satellitenverbindungen könnten einen Ausfall sämtlicher Unterseekabel abfangen. Die Störung einer einzelnen oder einiger weniger Unterseekabel führt aber nicht unbedingt zu einem Komplettausfall der Verbindungen. Das Internet ist dezentral aufgebaut und darauf ausgelegt, dass sich Daten eine Ausweichroute suchen. Durch diese Umwege können sich allerdings die Zugriffszeiten verlängern.
Nach Angaben des finnischen Unternehmens Cinea, das das in dieser Woche beschädigte Unterseekabel C-Lion1 zwischen Finnland und Deutschland betreibt, dauern Reparaturen von Unterseekabeln in der Regel zwischen fünf und 15 Tagen. Im Fall von C-Lion1 muss das Kabel dafür aus dem Meer auf ein Reparaturschiff gehoben werden, das aus dem französischen Calais ins betroffene Gebiet kommen soll.
Wie gefährdet sind Datenkabel?
Wegen der zunehmenden Bedeutung des Internets für die Wirtschaft und das öffentliche Leben gelten Datenkabel inzwischen als kritische Infrastruktur, die besonders geschützt werden muss. Dennoch sind die Unterseekabel in küstennahen Gebieten in vielen Navigationskarten verzeichnet, um Beschädigungen durch Schiffsverkehr oder Bohrarbeiten zu verhindern.
Auf hoher See werden die Positionen dagegen nur ungefähr angegeben, um Attacken zu erschweren. Russland steht seit Jahren im Verdacht, Angriffe auf die europäische Dateninfrastruktur vorzubereiten. Die NATO hat wiederholt russische U-Boote in der Nähe der Unterseekabel beobachtet. Vertreter westlicher Staaten werfen Russland schon länger vor, hinter Sabotageakten zu stecken. Der Kreml weist dies stets zurück.
Aber auch China wird zuletzt mit der Beschädigung von Datenkabeln in Verbindung gebracht. Zum Zeitpunkt der Beschädigung des Datenkabels C-Lion1 zwischen Finnland und Deutschland in dieser Woche wurden unter anderem Fahrtbewegungen des chinesisches Schiffs "Yi Peng 3" an den Orten der Kabelbrüche registriert.
Im vergangenen Herbst wurde ein Datenkabel zwischen Estland und Finnland beschädigt und eine Energieleitung gekappt, nach Angaben von Ermittlern höchstwahrscheinlich vom Anker eines chinesischen Containerschiffs namens "Newnew Polar Bear". Nach Ansicht von Experten handelte es sich dabei um einen vorsätzlichen Akt. China selbst stellt den Vorfall als Folge eines Sturms dar.
Wie werden die Kabel geschützt?
Angesichts der Größe der Meere ist ein umfassender Schutz der Kabel kaum möglich. Die NATO-Staaten überwachen die See koordiniert innerhalb ihrer Hoheitsgewässer.
Ein Beispiel: In der vergangenen Woche eskortierte die irische Marine ein russisches Erkundungsschiff aus den Gewässern zwischen Irland und Großbritannien, das offenkundig Informationen über Unterseekabel und Pipelines sammelte, unter anderem durch den Einsatz von Drohnen. Die "Yantar" verfüge über Tiefsee-taugliche Tauchboote und sei vom irischen, britischen, norwegischen und vom US-Militär überwacht worden, hieß es anschließend. Das Schiff sei schon mehrmals bei ähnlichen Missionen beobachtet worden.
Nach den jüngsten Fällen in der Ostsee soll die "Yi Peng 3" auf ihrer Fahrt aus der Ostsee in den Kattegat zwischen Schweden und Dänemark von Marineschiffen aus NATO-Staaten beobachtet worden sein, hieß es unter anderem in schwedischen Medien. Litauen verstärkte anschließend seine Seepatrouillen.
Welche Konsequenzen haben die Vorfälle in Deutschland?
Die Reaktionen der Bundesregierung sind einhellig: Kritische Infrastruktur müsse besser geschützt werden. Diese Äußerung führt aber direkt in den Wahlkampf. Denn die gescheiterte Ampel-Regierung hatte ein Gesetz zum besseren Schutz der kritischen Infrastruktur beschlossen, das noch in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag sollte. Ob es dazu unter den neuen Verhältnissen im Bundestag kommt, ist ungewiss.
Ungeachtet davon betont Innenministerin Nancy Faeser, dass die Bundespolizei auf der Ostsee bereits jetzt stärker patrouillieren würde. Zudem würden "russische Kriegsschiffe und angebliche Forschungsschiffe auf Nord- und Ostsee konsequent überwacht". Deutschland setze dabei auch Hubschrauber und Schiffe ein, an der Küste seien zudem Spezialeinheiten der GSG9 stationiert.