Scholz zu Atommülllager Redebedarf nach Schweizer Endlagerwahl
Bundeskanzler Scholz hat angekündigt, die Schweizer Wahl für ein Atommüllendlager direkt an der Grenze zu Baden-Württemberg mit den Eidgenossen zu besprechen. Deutscher Atommüll soll in dem Standort Nördlich Lägern nicht eingelagert werden.
Nach der Entscheidung der Schweiz zum Bau eines Atommüll-Endlagers nahe der deutschen Grenze erwartet die Bundesregierung eine Unterstützung der betroffenen Gemeinden. Die grenznahe Anlage werde "auch die Gemeinden auf deutscher Seite stark belasten", sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums in Berlin. Es gebe bereits Gespräche mit der Schweiz über "Ausgleichszahlungen für die regionale Entwicklung". Die Schweiz habe Bereitschaft zu solchen Zahlungen signalisiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, seine Regierung werde die Standortentscheidung "mit der Schweizer Regierung zu besprechen haben". Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, die Bundesregierung habe die schweizerische Entscheidung "zur Kenntnis genommen" und werde sie nun prüfen. Bislang habe es eine "gute Einbindung der deutschen Seite in den Auswahlprozess" gegeben, und die Bundesregierung hoffe, "dass dies auch fortgesetzt wird", sagte Hoffmann.
Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker erklärte in Stuttgart, sie erwarte eine "grenzüberschreitende Beteiligung" am weiteren Vorgehen der Schweizer Regierung. Die Standortentscheidung "führt unübersehbar vor Augen, dass die angrenzende baden-württembergische Bevölkerung einen großen Beitrag zur Endlagerung des schweizerischen Atommülls leistet", erklärte sie. "Dies muss sich aus unserer Sicht zwingend adäquat bei den anstehenden Abgeltungsverhandlungen niederschlagen."
Nach fast 50-jähriger Suche hatten sich die Schweizer Behörden für die Region Nördlich Lägern unweit der deutschen Gemeinde Hohentengen als Standort eines Atommüll-Endlagers entschieden. Nach Überzeugung von Schweizer Experten ist dies der sicherste Ort für radioaktiven Abfall. In dem Schweizer Lager sollen die radioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken, Industrie und Forschung in Hunderten Metern Tiefe eingebettet werden.
"Die Geologie hat gesprochen"
Die Region Nördlich Lägern sei aus rein geologischen Gründen die beste Wahl unter den drei geprüften Standorten, sagte Matthias Braun, Chef der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), in Bern. "Es ist ein eindeutiger Entscheid. Die Geologie hat gesprochen."
Die nötige Gesteinsschicht von Opalinuston liege dort am tiefsten unter der Erdoberfläche, die Schicht sei am dicksten und der mögliche Bereich für das geplante Endlager am größten. In Nördlich Lägern seien in der Gesteinsschicht Spuren des ältesten Wassers gefunden worden: 175 Millionen Jahre alt. Das gebe ihm Vertrauen, auf lange Sicht Prognosen zu machen, sagte Braun. "Das Gestein ist sehr dicht, bindet radioaktive Materialien wie ein Magnet, und sollte es doch einmal brechen, heilt es sich von selber wieder."
Deutschland will Lager nicht mitnutzen
Laut dem Bundesumweltministerium in Berlin ist nicht vorgesehen, das geplante Endlager auch für deutsche Abfälle dieser Art zu nutzen. Das erklärte ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage. "Deutschland hat sich entschieden, für seinen Atommüll ein eigenes Endlager zu konstruieren und nicht mit europäischen Partnern gemeinsam. Wir sind für unseren Müll verantwortlich", stellte der Sprecher klar. Deutschland werde aber voraussichtlich erst 2031 den Lagerstandort festlegen.
Der Vizedirektor des schweizerischen Bundesamts für Energie hatte zuvor gesagt: "Es ist ein anerkanntes Prinzip, dass jedes Land seine eigenen Abfälle bei sich selber entsorgen muss."
Das Schweizer Bundesamt für Energie und das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) wollen nun die Vorschläge der Nagra im Bewilligungsverfahren prüfen. In der Expertengruppe geologische Tiefenlager des Ensi sind neben vier Schweizern auch vier deutsche Professoren vertreten. Über die Bewilligung sei noch nicht entschieden, betonte das Ensi. Im günstigsten Fall könnte mit den Bauten 2031 begonnen werden, mit der Einlagerung 2050.
Regierung und Parlament müssen dem Vorhaben zustimmen. Gegen einen Beschluss kann dann auch noch das Referendum ergriffen werden, sodass letztendlich die Schweizer Wähler das letzte Wort haben könnten.