Besuch in der Ukraine EU-Außenminister bei "historischem" Treffen in Kiew
Die EU-Außenministerinnen und Außenminister sind zu einem gemeinsamen Treffen nach Kiew gereist. Dort wollen sie u.a. über neue Finanzhilfen für das Kriegsland sprechen. Bundesaußenministerin Baerbock warb für einen "Winterschutzschirm".
Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind Vertreterinnen und Vertreter aller 27 EU-Staaten zugleich nach Kiew gereist - mit dem Nachtzug. Ein solches Treffen außerhalb der EU sei eine Premiere, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Bei den Beratungen solle es um die aktuelle Lage angesichts des russischen Angriffskriegs und die Unterstützung der EU für die Ukraine gehen. Das Treffen sende die Botschaft, dass die Unterstützung des Staatenbunds für die Ukraine "unerschütterlich" sei.
Für die deutsche Ressortchefin Annalena Baerbock ist es der zweite Besuch in der Ukraine binnen weniger Wochen. Sie war zuletzt am 11. September in der Ukraine.
Zum Auftakt des Treffens warb Baerbock für ein Ukraine-Hilfspaket, das dem Land durch den Winter helfen solle. "Die Ukraine braucht einen Winterschutzschirm", so die Grünen-Politikerin. Dazu gehöre, dass man die Luftverteidigung und die Energieversorgung im Land verstärke und mehr Generatoren liefere. Man habe im vergangenen Winter gesehen, dass Russland gezielt Ziele der kritischen Infrastruktur angreife, um die Ukraine in die Knie zu zwingen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, Botschaft des Treffens sei, dass sich die Europäische Union in die Ukraine ausweite und dafür sei man sehr dankbar. Das "historische Ereignis" finde zwar außerhalb der derzeitigen EU-Grenzen, aber innerhalb der künftigen EU-Grenzen statt. Wie üblich während des russischen Angriffskriegs wurde die Reise aus Sicherheitsgründen nicht vorher angekündigt. Borrell schrieb auf X, die Zukunft der Ukraine liege in der EU.
Borrell: Keine Entscheidung zu Kampfjets und Raketen
Als ein Thema für das EU-Treffen hatte Borrell im Vorfeld seinen Vorschlag genannt, der Ukraine längerfristige Finanzierungszusagen für Militärhilfen zu machen und mit EU-Geld auch die Lieferung moderner Kampfjets und Raketen zu unterstützen. So will er von 2024 bis Ende 2027 jährlich fünf Milliarden Euro mobilisieren.
Eine Entscheidung sei in Kiew aber nicht zu erwarten, sagte der Spanier bereits am Sonntag. Es gehe bei solchen informellen Ministertreffen um politische Diskussionen. Die Unterstützung der Europäer kommt in einer Phase, wo die Finanzierung der US-Hilfen wegen eines Haushaltsstreits in Washington in der Schwebe ist.
Man führe vor dem Hintergrund eines möglichen Shutdowns eine sehr eingehende Diskussion mit den Republikanern und Demokraten, sagte der ukrainische Außenminister Kuleba am Rande des Treffens. Bislang habe man nicht das Gefühl, dass die US-Zusagen nicht mehr stünden. "Die Vereinigten Staaten verstehen, dass in der Ukraine viel mehr auf dem Spiel steht als nur die Ukraine", so Kuleba.
Es gehe um die Stabilität und Berechenbarkeit der Welt und deshalb sei er überzeugt, dass man in der Lage sein werde, die notwendigen Lösungen zu finden, so Kuleba. Er denke, dass das, was am Wochenende im Kongress geschehen sei, nur ein Zwischenfall gewesen sei.
Der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen bekräftigte indes, Europa müsse "aus vielen guten Gründen" bereitstehen, der Ukraine weitere Hilfen zukommen zu lassen: "Zunächst einmal, um die Ukraine zu unterstützen, aber auch, um ein starkes transatlantisches Signal zu senden, dass wir für das, was auf unserem eigenen Boden geschieht, eine große Verantwortung übernehmen müssen."
EU-Beitrittsperspektive für Ukraine
Bei dem Treffen dürfte es auch um die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine gehen. Das Land ist seit Juni 2022 offiziell Beitrittskandidat. Über die Aufnahme von Verhandlungen müssen die 27 EU-Staaten allerdings noch einstimmig entscheiden. Ein positives Votum soll es dann geben, wenn die Ukraine bestimmte Voraussetzungen erfüllt hat. Dazu zählt eine stärkere Bekämpfung der Korruption.
Während aus den meisten EU-Ländern der Minister oder die Ministerin nach Kiew reiste, war für heute aus dem wichtigen Nachbarland Polen ein Vizeaußenminister angekündigt. Das enge Verhältnis ist derzeit wegen eines polnischen Importstopps für ukrainisches Getreide belastet. Auch aus dem russlandfreundlichen Ungarn wurde nur ein ranghoher Diplomat erwartet.