EU-Gipfel in Budapest Welche Lehren zieht die EU aus dem Sieg von Trump?
Schon vor seiner Wiederwahl hatte Trump angekündigt, die Ukraine-Hilfen der USA stark herunterzufahren. Außerdem drohte er mit einem Zoll-Krieg. Wie umgehen mit Trump? Das war die wichtigste Frage beim EU-Gipfel in Ungarn.
Auch am zweiten Gipfeltag in Budapest ist der Bruch der Ampelkoalition noch ein Thema. Die internationalen Journalisten diskutieren darüber - aus Deutschland ist man instabile Verhältnisse nicht gewöhnt. Ein Regierungschef auf Abruf, ohne Mehrheit im Parlament - klar, das kommt immer wieder mal vor in Europa. Aber in Deutschland?
Gefragt nach den Folgen für Europa, versucht EU-Ratspräsident Charles Michel, die Wogen zu glätten. Als Belgier hat er seit Monaten gar keine Regierung, und von heillos zerstrittenen Koalitionspartnern kann er ein Lied singen. Er habe Vertrauen in die deutschen Institutionen, erklärt Michel. Und fügt mit Blick auf den Wahlsieg von Donald Trump hinzu, dass Deutschland zusammen mit den anderen EU-Mitgliedsländern entschieden die europäischen Werte und Interessen gegenüber Washington verteidigen werde.
Europäische Lehren aus US-Wahlergebnis
Unabhängig von der politischen Lage Zuhause versuchte Scholz, sich während des gesamten Gipfels auf das zu konzentrieren, was an europäischen Lehren aus dem amerikanischen Wahlergebnis zu ziehen ist. Mehr für die eigene Sicherheit tun, zum Beispiel. "Das gelingt insbesondere dann, wenn alle ihren Beitrag leisten", ermahnt Scholz. Er benennt nicht die Länder, die die NATO-Vorgaben immer noch nicht erfüllen - aber sie sind bekannt. Neben einigen kleineren Ländern eben auch die großen Länder Spanien und Italien. Zusammen mit Frankreich sind es auch die Staaten, die sich bei der Militärhilfe für die Ukraine bisher zurückgehalten haben.
Ein Problem, das sich auf dramatische Weise zuspitzen könnte. Wenn Trump mit seiner Drohung Ernst macht, die amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine runterzufahren oder sogar ganz einzustellen, würde ungefähr die Hälfte der Militärhilfe für die Ukraine wegfallen. Einen Vorgeschmack davon haben die Europäer schon bekommen, in der ersten Jahreshälfte. Monatelang gingen überhaupt keine amerikanischen Waffen mehr in die Ukraine, weil Trump die Lieferungen über seine Republikaner im Kongress blockieren ließ. Das Loch können die Europäer nicht stopfen, kein Militärexperte hält das für möglich, nicht kurzfristig und auch nicht mittelfristig. Der amerikanische Anteil ist einfach zu groß.
Erhöhung der Ukraine-Hilfen
Der Versuch des Bundeskanzlers, die deutsche Ukraine-Hilfe um drei Milliarden Euro zu erhöhen, scheiterte an Christian Lindner. Dies war offensichtlich eine der Ursachen für seine Entlassung als Finanzminister. Auch das gibt den Europäern einen Vorgeschmack auf eine Frage, vor der jetzt alle stehen: Wie können die möglicherweise dramatisch anwachsenden Herausforderungen für Rüstungsausgaben geschultert werden?
Denn ausgerechnet die Länder, die den größten Nachholbedarf bei der Ukraine-Hilfe haben, sind hoch verschuldet. Frankreich und Italien allein mit deutlich mehr als 100 Prozent ihrer Wirtschaftskraft - wie realistisch sind dann überhaupt weitere Milliardensummen? Eine Teillösung könnte in deutlich mehr Kooperation liegen. Gemeinsame Beschaffung ist ein Stichwort, aber auch mehr Kooperation bei großen Rüstungsentwicklungen. Die Staats- und Regierungschefs seien sich dabei einig gewesen, so berichtet Scholz.
Möglicher Zoll-Krieg mit den USA
Immerhin, bei einigen Herausforderungen sehen die EU-Partner sich gar nicht so schlecht gerüstet für das, was aus Washington auf sie zukommen könnte. "Hier wurde klar festgestellt, dass wir besser aufgestellt sind als bei der ersten Präsidentschaft Trumps", berichtete der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer.
In der Tat hat die Brüsseler EU-Kommission zum Thema Strafzölle etwas vorbereitet, die Rede ist von Gegen-Zöllen. Man will aber erst mal mit Trump verhandeln und gucken, ob seine Drohungen mit zehn, vielleicht sogar 20 Prozent Strafzöllen auf ausländische Produktimporte nicht noch abgewendet werden können. Trump will damit den Produktionsstandort USA stärken und aktuelle Handelsdefizite abbauen. Die exportorientierten Länder Europas wären empfindlich betroffen, neue Zölle wären ein gefährlicher Katalysator in der ohnehin schon krisenhaften Lage der europäischen Wirtschaft.
Verbesserung von Europas Wettbewerbsfähigkeit
Nicht mehr aufzuschieben, auch da herrscht Einigkeit, sind Reformen zur Verbesserung von Europas Wettbewerbsfähigkeit. Die sieht nicht rosig aus, vor allem im Vergleich zu China und den USA. Zu wenig Wachstum, eine magere Reallohnentwicklung, zu niedrige Produktivität - das ist die Analyse von Mario Draghi. Der Italiener war selbst mal Regierungschef seines Landes und außerdem Präsident der Europäischen Zentralbank. In einem 400 Seiten starken Bericht präsentierte er beim Gipfel seine schonungslose Analyse. Die Notwendigkeit zu Handeln sei heute noch größer als vor einer Woche, meinte Draghi in Anspielung auf den nächsten Präsidenten im Weißen Haus.
Für besonders nötig hält Draghi, dass die Zersplitterung des Binnenmarktes endlich bekämpft wird und Europa einen einheitlichen Kapitalmarkt bekommt. Das Ziel muss aus Draghis Sicht sein, privates Kapital in Europa zu halten und am Abfluss in die USA und andere attraktivere Weltregionen zu hindern. Deutlich mehr Geld solle gezielt in Forschung und Entwicklung gehen, das Insolvenzrecht vereinfacht werden - alles alte Bekannte. Aber unter dem Druck der Entwicklung in den USA sollen sie nun schneller umgesetzt werden. "Das gelingt, wenn wir mehr Kapital mobilisieren", glaubt Bundeskanzler Scholz. "Das gelingt aber auch durch massiven Bürokratie-Abbau", fügt er hinzu. Für die EU-Kommission wird der Auftrag bekräftigt, im neuen Jahr einen Vorschlag für die Reduzierung der Berichtspflichten um 25 Prozent vorzulegen.