Politische Einmischung Musks Die EU beobachtet - und ist gelassen
X-Chef Musk nutzt den Einfluss, den ihm die Plattform bietet und greift auch Regierungen in Europa an. In Deutschland wirbt er für die AfD. Verletzt das EU-Gesetze, die Manipulation im Netz verhindern sollen?
Im vergangenen August bereitete Elon Musk mitten im US-Wahlkampf dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump die Bühne. In einem Gespräch auf X gab sich Musk als Fan und Stichwortgeber, Trump konnte sich ungehindert ausbreiten: Noch-Amtsinhaber Joe Biden sei quasi an allem Schuld, ohne Biden hätte es keinen Angriff auf Israel geben, auch nicht auf die Ukraine, ohne ihn gäbe es keine Inflation in den USA und ohne ihn hätte es auch kein Chaos in Afghanistan gegeben.
"Grundsätzlich an dem Gespräch nichts illegal"
Schon damals warnte die EU-Kommission vor den Gefahren von Desinformation. Vor dem heutigen Gespräch zwischen Alice Weidel und Musk betonte der zuständige Kommissionssprecher Thomas Regnier, grundsätzlich sei an dem Gespräch nichts "illegal im Sinne der Europäischen Digitalgesetze". Musk dürfe "seine politischen Meinungen in der EU äußern, sowohl online als auch offline".
Zugleich wiederholte Regnier die Warnung vor den Risiken von Desinformation. Die Kommission wolle, "dass der Plattformbesitzer sicherstellt, dass die Plattform nicht missbraucht wird, einen bestimmten Inhalt bevorzugt oder einen bestimmten Inhalt besonders sichtbar macht", sagte Regnier. Das heißt, es werde geprüft, wie sehr der Livestream "geboostet", also auf X besonders bevorzugt dargestellt werde.
Algorithmen dürfen Interview nicht künstlich verstärken
Das Europäische Digitalgesetz, der Digital Services Act (DSA), schreibt den Plattformen nämlich vor, dafür Sorge zu tragen, dass öffentliche Diskussion und Wahlprozesse frei von Manipulation sind. Die Algorithmen dürfen einzelne Tweets - oder im konkreten Fall dieses Live-Interview - nicht künstlich verstärken.
Sollten sich Hinweise darauf ergeben, fließen sie in das seit Ende 2023 laufende EU-Verfahren gegen X ein. So sammelt Brüssel etwa gerade Beweise für die Vermutung, die viele der rund 100 Millionen Nutzer in der EU haben, dass Musk seit Monaten vor allem seine eigene Aussagen radikal pusht. Laut Studienergebnissen der australischen Universität Queensland kommen Wortmeldungen Musks seit seiner offiziellen Unterstützung für Trump auf rund 140 Prozent mehr Aufrufe und auf 240 Prozent mehr Retweets als vor seiner Unterstützung.
Am Ende der Untersuchungen könnten Geldstrafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes stehen. Im Fall von X wären es rund 200 Millionen Dollar.
EU-Kommission "meint es ernst"
Das EU-Verfahren wirkt langwierig - gerade wenn man die Dauer mit der rasanten Geschwindigkeit vergleicht, in der sich die Strategien der Social-Media-Plattformen ändern. Nicht nur auf X, sondern auch auf Facebook und Instagram. Dort wird es künftig keine Faktenchecks mehr geben, wie Meta-Konzernchef Mark Zuckerberg am Dienstag ankündigte. Man wolle zurück zu den Wurzeln und zu "free speech".
Ann-Kathrin Watolla vom Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft ist jedoch von den Möglichkeiten, die der DSA bietet, überzeugt. "Wir sind noch nicht annähernd am Ende der Wirksamkeit des DSA angekommen", sagt sie. "Man sieht bei den Handlungen von der Europäischen Kommission, dass sie das auch ernst meint." Es gehe tatsächlich darum, einen sicheren Raum für den europäischen Diskurs zu schaffen, erklärt Watolla.
Reicht das rechtliche Vorgehen?
Ob das rechtliche Vorgehen alleine reicht, daran mehren sich aber die Zweifel - angesichts von Musks Einmischung in die europäische Politik und angesichts einer kommenden Trump-Administration, mit der Handels- und Kulturkämpfe gleichermaßen drohen. Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance erklärte bereits, das US-Engagement in der NATO hänge auch damit zusammen, wie sehr die Europäer "pro Meinungsfreiheit" agierten.
Paula Pinho, Sprecherin von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, erklärte, man halte sich bewusst zurück: "Im Moment ist die politische Entscheidung, diese Debatte nicht auch noch zu befeuern." Oder - in diesem konkreten Fall - das Gespräch Musks mit Weidel erst mal abzuwarten.
Warten war während des Interviews mit Trump auch geboten: Der X-Server spielte zunächst nicht mit, "ein Cyber-Angriff", erklärte der blamierte Chef Musk. Die anfänglich etwa zwei Millionen Zuhörer hingen knapp 40 Minuten in der Warteschleife - oder hatten bis dahin schon entnervt aufgegeben.