Künftige EU-Kommission Von der Leyens Kandidaten im Kreuzverhör
Auf ihr zukünftiges Team hat sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bereits festgelegt. Ab heute müssen sich die Anwärter einer Befragung im Parlament stellen. Bei zwei Kandidaten ist die Gefahr groß, dass sie durchfallen.
Als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Sommer dem EU-Parlament für die neue Legislaturperiode die Hand ausstreckte, klang sie noch so: "Lasst uns wieder zusammenarbeiten". Damit sicherte die konservative Politikerin sich im Juli ihre Wiederwahl.
Ab heute geht es nun darum, ob auch die designierten zehn Kommissarinnen und 16 Kommissare das Vertrauen des Parlaments erhalten, für die von der Leyen die Zuständigkeiten festgelegt hatte. Fünf Anhörungstage sind geplant, bis einschließlich Dienstag kommender Woche.
Fragebögen zu Interessenkonflikten
Als Erster stellt sich am Nachmittag der bisherige Kommissionsvize Maros Sevcovic den EU-Abgeordneten. Der Slowake soll sich in dieser Amtszeit um Handel und wirtschaftliche Sicherheit kümmern.
"Jede Kommissar und jeder Kommissarin muss nachweisen, dass er oder sie über die notwendige Sachkompetenz und Unabhängigkeit verfügt, um die Interessen der gesamten Union zu vertreten", sagt der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. Zum Thema Unabhängigkeit haben die Anwärter bereits Fragebögen zu möglichen Interessenkonflikten ausfüllen müssen. Das geschah nicht immer zur Zufriedenheit des Parlaments.
Die Regeln der Kommission würden verlangen, dass die Anwärter nur solche Interessen anmelden müssen, die aus ihrer Sicht zu einem Interessenkonflikt führen könnten, erklärt der SPD-Europaabgeordnete René Repasi. "Diese Einschätzung obliegt aber gerade dem Parlament und nicht dem Anwärter selbst. Folglich waren aber einige Angaben lückenhafter als sie sein sollten", kritisiert er.
Zwei Personalien sind besonders strittig
In jeweils dreistündigen Anhörungen stehen die Anwärter den Abgeordneten nun Rede und Antwort. Für eine Ernennung benötigen sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den zuständigen Fraktionsvertretern. Überspringen sie die Hürde nicht, können eine neue Anhörung beschlossen oder weitere schriftliche Fragen verschickt werden. Danach genügt eine einfache Mehrheit unter den Ausschussmitgliedern, um bestätigt zu werden. Klappt das nicht, muss die jeweilige Regierung einen neuen Vorschlag präsentieren.
"Ich würde davon ausgehen, dass die allermeisten davon ohne Probleme durchgehen. Die beiden Kandidaten, wo es schwieriger werden könnte, ist der ungarische Kandidat Varhelyi und der italienische Kandidat Fitto", sagt der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund voraus.
Ein Kandidat provozierte bereits das Parlament
Roberto Fitto, der italienische Kandidat und Entsandter der Regierungschefin Giorgia Meloni, soll sich im einflussreichen Rang eines Vize-Kommissionspräsidenten um die Kohäsionsfonds kümmern, aus dem Investitionen getätigt werden, um Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten auszugleichen. Der Fonds umfasst rund ein Drittel des EU-Haushalts.
Im ungarischen Kandidaten Oliver Varhelyi sehen manche Abgeordnete ein Sprachrohr des rechtspopulistischen Premiers Viktor Orban in der Kommission. Er hatte schon jetzt in der scheidenden Kommission mit Alleingängen provoziert. Auch hat er das Parlament mit einer respektlosen Äußerung gegen sich aufgebracht.
Alle Seiten kennen Risiko einer Eskalation
Traditionell geht es in den Anhörungen nicht nur um Sachfragen, die Hearings eignen sich auch zu einem parteipolitischen Showdown. Falls Vertreter einer Parteienfamilie durchfallen, könnten die anderen Fraktionen die Anwärter der anderen rauskegeln. Denkbar wäre ein solches Szenario vor allem am Dienstag in einer Woche.
Sollte der italienische Kandidat Fitto durchfallen, könnten Rechtsparteien und Konservative in den darauffolgenden Anhörungen den französischen liberalen Kandidaten Stéphane Séjourné und die spanische Sozialistin Teresa Ribera abblitzen lassen. Genauso gut könnte aber auch alles glatt laufen, weil alle Seiten um das Risiko einer solchen Eskalation Bescheid wissen.