Die Fahnen von Rumänien und Bulgarien wehen in Sofia (Bulgarien) neben Flaggen der EU.

Beitritt von Rumänien und Bulgarien Der ramponierte Schengen-Raum

Stand: 12.12.2024 14:26 Uhr

Schengen-Raum dehnt sich weiter aus - zum Jahreswechsel treten Rumänien und Bulgarien bei. Doch so ganz erfüllt sich das Versprechen vom Reisen ohne Kontrollen nicht. Denn Deutschland knüpft seine Grenzöffnungen an Bedingungen.

Die Reisefreiheit in Europa ist das Herzstück der EU. Aber der Schengen-Raum ist angekratzt wie selten. Nicht zuletzt deshalb, da Deutschland zu allen neun Nachbarstaaten Grenzkontrollen durchführt. Umso mehr gebe es jetzt einen Grund, sich über die Erweiterung der grenzfreien Landkarte zu freuen, sagte der neue EU-Innenkommissar Magnus Brunner.

Er sprach von einem historischen Tag: "Schengen ist eine der besten Errungenschaften der EU. Ich freue mich sehr, dass Rumänien und Bulgarien heute beitreten". Zuvor betonte Brunner auch, als Österreicher sei er "besonders betroffen".

Österreichs Regierung war lange skeptisch

Denn Wien hatte bisher die Voll-Mitgliedschaft, die einstimmig beschlossen werden musste, aus Sorge vor illegaler Migration blockiert. Aus Sicht Österreichs konnten über Bulgarien und Rumänien zu viele Menschen, die etwa über die Balkanroute kamen, ohne Papiere ins Land reisen.

Aber es hat sich zuletzt einiges getan in den beiden Ländern. In diesem Jahr hat das Innenministerium in Wien rund 4.000 illegale Grenzübertritte aus Bulgarien und Rumänien registriert, in den Vorjahren waren es noch 70.000.

Weniger Menschen kamen über die Balkanroute

Für die deutsche Innenministerin Nancy Faeser ist die heute beschlossene Aufnahme von Mitgliedsland 28 und 29 überfällig. "Deutschland hat sich schon lange für den Beitritt eingesetzt", sagte sie. "Denn die Länder erfüllen die Bedingungen schon seit einiger Zeit. Und es nährt auch das Vertrauen in die Europäische Kommission, wenn klar ist, dass man dann auch zum Ziel kommt."

Das Ziel heißt in diesem Fall konkret: Ab 1.1.2025 können Menschen aus Rumänien und Bulgarien ohne Grenzkontrollen in den Rest der EU reisen. Oder auch andersherum: Auto- und Lkw-Fahrer, die über Ungarn oder Griechenland in die beiden Länder fahren, müssen nicht mehr standardmäßig mit Verzögerungen rechnen. 

An Flughäfen und Seehäfen waren bereits in diesem Frühjahr die Kontrollen weggefallen. "Wir erkennen damit auch an, was Bulgarien und Rumänien für den Schutz der europäischen Außengrenzen tun", erklärte Faeser. Und das ist für ganz Europa erheblich: Insgesamt kamen 2024 rund 80 Prozent weniger Menschen als im Vorjahr über die Balkanroute in die EU. 

Faeser mahnt Schutz der EU-Außengrenzen an

Eine Übergangsphase aber gibt es noch für die beiden Länder, die seit 2011 auf die Aufnahme gewartet haben. Stichprobenartig finden zwischen Bulgarien und Rumänien sowie Ungarn und Rumänien weiterhin für eine gewisse Zeit Binnengrenzkontrollen statt.

Die seien aber derzeit EU-weit nichts Besonderes, betonte EU-Innenkommissar Brunner. Er verwies dabei auch auf den deutschen Nachbarn. Nur wenn der Schutz der EU-Außengrenzen vollständig funktioniere, erklärte Innenministerin Faeser erneut in Brüssel, könne der jetzt größere Schengen-Raum auch wieder voll aufgehen: "Solange die Migrationszahlen so hoch sind, wie sie sind, werden wir die Binnengrenzkontrollen beibehalten. Und wir werden sie auch jetzt wieder verlängern."

Deutschland pocht auf bessere Verteilung

Hintergrund ihrer Ankündigung ist eine EU-Richtlinie: Demnach müssen alle sechs Monate Kontrollen an den Binnengrenzen neu begründet und angemeldet werden. Für die Kontrollen an den ostdeutschen Grenzen - etwa zu Polen und Tschechien - ist es in diesen Tagen soweit.  

"Erst wenn die Regelungen des gemeinsamen europäischen Asylpaketes endlich in Kraft sind, können wir auch wieder über die Öffnung unserer Grenzen reden", sagte Faeser. Natürlich hätten offene Grenzen für die Bundesrepublik Deutschland große Bedeutung, aber dann müsse es auch zu einer besseren Verteilung der Geflüchteten in Europa kommen.

Luxemburg hofft auf Veränderungen

Das ist eine Position, die nicht bei all ihren Ressortkolleginnen und -kollegen in Europa gut ankommt. Luxemburgs Innenminister Leon Gloden hofft auf deutliche Änderungen, auch aus gegebenem Anlass: "Wir kämpfen für eine Schengen-Raum ohne Kontrollen zwischen den EU-Nachbarn. Gerade zum 40. Geburtstag von Schengen im nächsten Jahr." Der Luxemburger, in dessen Land die namensgebende Gemeinde Schengen liegt, hofft, es werde eine große, "grenzenlose" Party.

Kathrin Schmid, ARD Brüssel, tagesschau, 12.12.2024 10:52 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. Dezember 2024 um 16:00 Uhr.