Illegale Abschiebungen Asylbewerber verklagt Frontex am EuGH
Omar B. wurde mit seiner Familie 2016 vom EU-Grenzschutz in die Türkei abgeschoben, obwohl er Asyl in Griechenland beantragt hatte. Nun verklagt er die EU-Grenzschutzagentur Frontex am EuGH auf Schadenersatz. Seine Klage soll kein Einzelfall bleiben.
Die niederländische Menschenrechtsanwältin Lisa-Marie Komp vertritt den Syrer Omar B. bei einer Klage gegen Frontex - der allerersten Klage auf Schadenersatz gegen die EU-Grenzschutzagentur am Europäischen Gerichtshof (EuGH), wie sie betont. Komp will aber nicht nur, dass er und seine Familie Schadenersatz erhalten: Der EuGH müsse sich zum ersten Mal mit der Frage beschäftigen, "inwiefern Frontex verantwortlich ist für Menschenrechtsverletzungen in den 'Joint Operations', die Frontex zusammen mit Mitgliedsstaaten durchführt."
Im Jahr 2016 sollen bei einer solchen "gemeinsamen Operation" Frontex-Beamte ihren griechischen Kollegen dabei geholfen haben, Omar B., seine Frau und die vier Kinder illegal in die Türkei abzuschieben. Ein sogenannter Pushback, wie ihn in den vergangenen Jahren Hunderte Geflüchtete an der EU-Außengrenze erlebt haben.
Was B.s Fall besonders mache, sei die Tatsache, dass alles sehr genau dokumentiert wurde, erklärt Anwältin Komp - unter anderem, dass die Familie, kurz bevor sie widerrechtlich in die Türkei zurückgeführt wurde, Asyl beantragt habe.
Abschiebung vor Asylentscheid
Bisher hat Frontex immer bestritten, an "Pushbacks" beteiligt gewesen zu sein. Auch im Fall Omar B. Im Herbst 2016 war die Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien in die Türkei geflohen und von dort weiter mit dem Boot auf die griechischen Inseln. Nachdem sie einen Asylantrag gestellt hatte, teilte ein griechischer Polizist Omar B. mit, dass die Familie nach Athen gebracht werden solle.
Deshalb bestieg Familie B. am 20. Oktober 2016 auf der Insel Kos ein Flugzeug. Auch Frontex-Beamte waren mit an Bord. Omar B. schöpfte keinen Verdacht - denn bevor ein Asylantrag nicht entschieden ist, darf der Antragsteller laut EU-Recht nicht abgeschoben werden.
"Wir dachten, wir fliegen nach Athen. Aber als das Flugzeug gelandet ist, haben wir die türkische Fahne auf dem Flughafen gesehen", erinnert sich B. am Telefon. "Da haben wir gemerkt, dass wir belogen und entführt worden sind."
Die Familie wurde in die türkische Stadt Adana gebracht - unrechtmäßig, sagt ihre Anwältin. Deshalb versuchte Komp zusammen mit Omar B., eine Beschwerde bei Frontex einzulegen. Ohne Erfolg. Frontex gab den Griechen die Verantwortung für den Einsatz. Die sahen aber keine Rechtsverletzung.
B.s Klage soll nicht die einzige bleiben
Omar B. lebt inzwischen mit seiner Familie im Nordirak. Jetzt ist der Europäische Gerichtshof seine letzte Hoffnung auf späte Gerechtigkeit: "Ich hoffe wirklich, dass das Europäische Gericht mir Recht gibt und die Männer verurteilt, die uns belogen haben und mitten in Griechenland entführt und in die Türkei gebracht haben", sagt er.
Seine Anwältin Komp schätzt, dass es mindestens eineinhalb Jahre dauern wird, bis ein Urteil gefällt wird. Aber sie ist überzeugt davon, dass ihr Mandant Recht bekommen werde: zu erdrückend sei die Beweislage für die Mitschuld von Frontex. "Während des Fluges wurde keine einzige Maßnahme ergriffen, um nochmal zu kontrollieren, ob die Leute, die da zurückgeführt werden, auch tatsächlich rechtlich zurückgeführt werden dürfen", sagt sie. "Fast noch schockierender ist die Art und Weise, wie die Menschen behandelt wurden, denn obwohl diese Kinder so jung waren, wurde die Familie voneinander getrennt. Den Personen wurde verboten, miteinander zu sprechen und sie wurden alle einzeln in dieses Flugzeug gesetzt."
Omar B.s Klage vor dem EuGH soll kein Einzelfall bleiben. Zudem hofft Komp, dass ein Urteil zugunsten ihres Mandanten auch dazu führen wird, dass Frontex sich wieder seiner Kernaufgabe bewusst wird: die Einhaltung europäischen Rechts an der EU-Außengrenze zu garantieren.