Europa-Gipfel in Budapest Ringen um eine Strategie nach Trumps Wahl
Schon vor seiner Wiederwahl hatte Trump gedroht, die Ukraine-Hilfen der USA zu beenden. Auch will er deutlich höhere Zölle. Europa steht damit vor neuen Herausforderungen - und berät beim Gipfel in Budapest das weitere Vorgehen.
Einen Tag nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen haben Europas Staats- und Regierungschefs über die Konsequenzen für die Sicherheit und Verteidigung beraten. Teilnehmer des Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) warnten in der ungarischen Hauptstadt Budapest vor einer Schwächung Europas und einem "Wirtschaftskrieg" mit den USA.
Der Bruch der Ampelkoalition in Berlin löste Sorge über eine politische Lähmung der EU aus. Bundeskanzler Olaf Scholz verpasste wegen der innenpolitischen Krise einen großen Teil der Beratungen. Er will aber am Abend nach Ungarn reisen, um sich dem informellen Treffen der 27 EU-Staaten anzuschließen. Das ist im Anschluss an die Sitzung der EPG geplant.
Europa soll unabhängiger werden
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in Budapest, die "Autokraten dieser Welt" müssten von dem Gipfel "eine ganz klare Botschaft erhalten, dass nicht das Recht des Stärkeren gilt". Europa müsse seine Zukunft zudem selbst in die Hand nehmen und seine Verteidigungsfähigkeit ausbauen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, die Europäer müssten ihre Geschichte künftig selbst schreiben und sie nicht Mächten wie den USA, Russland und China überlassen. Der belgische Regierungschef Alexander De Croo sagte, die EU könne ihre Sicherheit nach Trumps Wahlsieg nicht länger an die USA "auslagern". Er spielte damit auf die US-Atomwaffen an, die unter anderem in Deutschland lagern. Er hoffe aber auf ein "offenes Gespräch" mit den USA über die Fortsetzung der Ukraine-Hilfen.
"Trump ist für gewisse Unberechenbarkeit bekannt"
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis rief die Europäer auf, aus ihrer "geopolitischen Naivität zu erwachen". Die EU könne mit Trump nicht aus einer Position der Schwäche verhandeln. Österreichs Kanzler Karl Nehammer sagte, die EU müsse einen "Wirtschaftskrieg" mit den USA abwenden. Trump hatte im Wahlkampf Zollaufschläge von bis zu 20 Prozent für Produkte unter anderem aus Europa angekündigt.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte äußerte sich in Budapest erneut überzeugt, mit Trump eine transatlantische Lösung finden zu können. Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen betonte, aus ihrer Sicht müsse alles getan werden, um ein gutes Verhältnis zu den USA aufrechtzuerhalten. "Das transatlantische Bündnis ist das wichtigste Bündnis für uns als Europäer", sagte sie.
"Präsident Trump ist manchmal für eine gewisse Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit bekannt, deshalb brauchen wir den Dialog", sagte der luxemburgische Ministerpräsident Luc Frieden. "Wir werden den Dialog suchen, aber wir werden unsere Prinzipien nicht aufgeben." Der finnische Regierungschef Petteri Orpo zeigte sich besorgt über die Aussicht auf einen Handelskrieg: "Das darf nicht passieren", sagte er. "Wir sollten jetzt versuchen, die USA und Trumps künftige Politik zu beeinflussen, damit er die damit verbundenen Risiken versteht."
Orban sieht in Trumps Wiederwahl Chance
Gastgeber Viktor Orban machte hingegen deutlich, dass er den Wiedereinzug des Republikaners ins Weiße Haus als Chance für einen schnellen Frieden in der Ukraine sieht. Der ungarische Regierungschef war der erste EU-Spitzenpolitiker, der Trump zum Wahlsieg gratulierte. Nach der US-Wahl stellte Orban die Frage, ob Europa die finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine allein schultern könnte, und forderte eine neue europäische Ukraine-Strategie.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, man könne derzeit noch nicht wissen, wie Trump konkret handeln werde. Sein erstes Gespräch mit ihm nach der Wahl sei aber gut und produktiv gewesen. In einer Videobotschaft am Vorabend hat er die weitere Partnerschaft zwischen den USA und seinem Land in Kriegszeiten beschworen. Wenn Trump das in seiner ersten Präsidentschaft geltende Motto "Frieden durch Stärke" umsetze, werde die ganze Welt davon profitieren, sagte er.
Trump könnte Ukraine-Hilfen stoppen
Trump hatte wiederholt europäischen NATO-Partnern vorgeworfen, auf Kosten der USA Verteidigungsausgaben einzusparen und das westliche Militärbündnis infrage gestellt. Auch hatte er im Wahlkampf mehrfach behauptet, den russischen Angriffskrieg in 24 Stunden beenden zu können. In Europa wird deswegen befürchtet, dass er die Ukraine über einen Stopp der Militärhilfe in Verhandlungen mit Russland zwingen könnte.
Aus Sicht der meisten europäischen Staaten wäre ein solches Vorgehen ein gefährlicher Tabu-Bruch. Putin könnte seinen Krieg dann als Erfolg verbuchen und zu weiteren Aggressionen verleitet werden, heißt es. Moskau fordert von Kiew unter anderem die Abtretung von vier derzeit teilweise durch russische Truppen besetzten Gebieten - zuzüglich der bereits 2014 annektierten Krim.