Gipfeltreffen in Reykjavik Europarat will Russland zur Rechenschaft ziehen
Die 46 Länder des Europarats planen die Einrichtung eines Registers zur Erfassung von Kriegsschäden in der Ukraine. Kanzler Scholz forderte beim Treffen in Island zudem eine konsequente Ahndung russischer Kriegsverbrechen.
Mit Solidaritätsbekundungen für die von Russland angegriffene Ukraine hat das Gipfeltreffen der 46 Staaten des Europarats begonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich bei der Eröffnung des Gipfels in Reykjavik dafür aus, die Brücken zum "anderen Russland" jenseits der Regierung von Präsident Wladimir Putin nicht abreißen zu lassen.
Irgendwann werde Russlands Krieg gegen die Ukraine enden, sagte Scholz zum Auftakt des Spitzentreffens. "Und eines ist sicher: Er wird nicht mit einem Sieg des Putin'schen Imperialismus enden." Denn man werde die Ukraine so lange unterstützen, bis ein gerechter Frieden erreicht sei.
"Bis dahin sollten wir als Europarat Brücken aufrechterhalten zu den Vertretern und Vertreterinnen eines anderen Russlands, eines anderen Belarus - und so die Perspektive einer demokratischen, friedlichen Zukunft beider Länder offen halten - so unwahrscheinlich sie uns heute auch erscheinen mag", sagte Scholz.
Gleichzeitig verlangte er eine konsequente Ahndung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine und eine systematische Erfassung der von Russland angerichteten Kriegsschäden. Der Europarat könne dabei eine wichtige Rolle spielen.
Register für Kriegsschäden soll kommen
Am Mittwoch soll bei dem Gipfel ein Register für die Erfassung der Kriegsschäden in der Ukraine eingerichtet werden. Darin sollen alle von Russland in der Ukraine verursachten Schäden festgehalten werden, heißt es in dem Entwurf der Gipfelerklärung. Das Register soll der erste Schritt auf dem Weg für mögliche Entschädigungszahlungen werden.
Scholz forderte in seiner Rede, dass Russland für die in der Ukraine im Krieg angerichteten Schäden aufkommen muss. Ähnlich äußerten sich etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Rishi Sunak. Es könne russische Soldaten schon vor neuen Kriegsverbrechen in der Ukraine zurückschrecken lassen, wenn die Aussicht bestehe, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Scholz sicherte der Ukraine außerdem zu, den Beitritt zur Europäischen Union mit voranbringen zu wollen. Das gelte aber auch für die Staaten des westlichen Balkans, für Moldau und perspektivisch Georgien. Auch dabei könne der Europarat, dem die Ukraine angehört, hilfreich sein. Die Institution sei heute wohl so wichtig wie noch nie zuvor, sagte er mit Blick auf die Zeitenwende im Zuge des Kriegs gegen die Ukraine.
"Wir sind Europäer, also schätzen wir den Frieden"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankte sich am Abend per Videoschalte bei seinen Unterstützern und betonte den europäischen Zusammenhalt. "Russland bemüht sich sehr, seine Fähigkeit zu töten zu verbessern. Wir bemühen uns sehr, den Schutz unserer Bevölkerung zu verbessern. Und ich danke allen Ländern und Führern, die uns dabei helfen, unsere Luftverteidigung insgesamt zu verbessern", sagte Selenskyj. "Wir sind Europäer, also schätzen wir den Frieden. Wir sind Europäer, also handeln wir mit 100 Prozent unserer Kräfte, wenn es darum geht, unsere Lebensweise zu schützen."
Der Europarat war 1949 als Hüter von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet worden und ist von der EU unabhängig. Russland war nach der russischen Invasion in der Ukraine ausgeschlossen worden, Belarus ist bei dem Gipfel nur noch als Beobachter vertreten. Es ist erst das vierte Gipfeltreffen des Europarats in seiner mehr als 70-jährigen Geschichte. Mehr als 30 Staats- und Regierungschefs aus den insgesamt 46 Mitgliedsländern werden beim diesjährigen Treffen erwartet.