EVP-Kongress in Bukarest Spitzenkandidatin mit Leitplanken
Ursula von der Leyen will EVP-Spitzenkandidatin werden - und dann wieder EU-Kommissionschefin. Dazu muss sie beim Parteikongress Überzeugungsarbeit leisten. Denn mit ihren Erfolgen im Amt hat sie auch Delegierte verprellt.
Auf Rumäniens größtem Messegelände präsentieren sich sonst regelmäßig Hersteller von Bautechnologie, Kosmetik oder Veterinärprodukten. Jetzt haben Europas Christdemokraten riesige Banner auf der Romexpo aufgehängt.
Es gibt sicher schönere Orte in der Stadt, aber sie sind ja auch nicht zum Vergnügen hier: Die Familie der Europäischen Volksparteien (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, kommen drei Monate vor der Europawahl zusammen, um ihre Spitzenkandidatin zu wählen. Für Ursula von der Leyen ist es der nächste Schritt auf dem Weg zu einer möglichen zweiten Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin. Für ihren Auftritt auf der großen Bühne weiß sie, was ihre Parteifreunde inhaltlich von ihr erwarten.
Vor der heutigen "Krönung" hat der Kongress am Abend ein Wahlprogramm beschlossen, das in seiner Ausrichtung teilweise konservativer wirkt als die bisherige Arbeit der EU-Kommission von Ursula von der Leyen. Das sind jetzt die Leitplanken, mit denen auch sie in den Wahlkampf gehen wird. In den vergangenen Jahren hatte so mancher in den eigenen Reihen den Eindruck, die Deutsche an der Spitze der EU-Kommission agiere - besonders in ihrer Klimaschutzpolitik - zu sehr wie eine Grüne. Ihren "European Green Deal", das umfangreiche Gesetzespaket für den Weg zu einer klimaneutralen EU, hatte sie zum Leuchtturm-Projekt ausgerufen.
Der Vorwurf: Schwächung Europas
"Wir sind Ursula von der Leyen dabei gefolgt", sagt Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP im EU-Parlament, zu Beginn des Kongresses in Bukarest. In der Tat haben Weber und seine Fraktion große Teile des Green Deal mitgetragen. Doch zuletzt gab es auch deutlichen Widerstand gegen Einzelheiten.
CDU-Chef Friedrich Merz sagt im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel, er spreche mit von der Leyen seit eineinhalb Jahren über die Schwerpunkte. Auf die Frage nach dem "Green Deal" meint er: "Vielleicht gibt es einen kleinen Perspektivwechsel hin zu der Frage: Was ist eigentlich notwendig, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen?" Seine Antwort: "Ohne eine starke Wirtschaft geht das nicht."
Das findet sich auch im Wahlprogramm wieder: Für die Grünen und die Sozialdemokraten sei der Green Deal eine "neue Ideologie", heißt es da. Die EVP sieht darin ein "Markenzeichen eines wohlhabenderen, innovativen, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Europas". Klimaschutz und wettbewerbsfähige Wirtschaft nur als Doppelpack. Gegen "Überregulierung" will man vorgehen.
Natürlich wird der Name von der Leyens nicht genannt. Doch diesen Vorwurf musste sich die aktuelle Kommissionspräsidentin immer wieder anhören. Ganz offen spricht sich vor dem Kongress der französische Europaabgeordnete Francois-Xavier Bellamy gegen eine Wiederwahl aus: Von der Leyen habe Europa mit dem "Green Deal" geschwächt. Das sind harte Worte aus den eigenen Reihen, die die Parteistrategen nicht ganz kalt lassen dürften. Schließlich hatte von der Leyen 2019 bei ihrer Wahl im Europaparlament nur eine hauchdünne Mehrheit.
Auf wessen Stimme setzen?
Das Projekt Von der Leyen 2.0 hängt am Ende daran, dass sie im Parlament genügend Stimmen einsammelt. Die Grünen haben bereits angekündigt, dass sie sehr genau darauf achten werden, welchen Kurs die Kommissionspräsidentin beim "Green Deal" einschlägt. Doch was Grünen und Sozialdemokraten gefällt, kann andere mögliche Unterstützer eher abschrecken - und umgekehrt.
Für die zukünftige Zusammenarbeit verspricht Parteichef Weber eine "klare Brandmauer gegenüber allen Rechtsradikalen auf dem Kontinent". Eine Zusammenarbeit mit Teilen der italienischen Regierungspartei von Giorgia Meloni will von der Leyen nicht ausschließen. Die Fratelli d'Italia, die deutlich weiter rechts steht als die EVP, wird sich im Wahlprogramm die Passagen zum Thema Migration genau anschauen.
Dort sprechen sich die Christdemokraten für das Grundrecht auf Asyl aus. Aber: "Die EU muss gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten das Recht haben zu entscheiden, wem und wo es gewährt wird." Außerdem heißt es: "Wer in der EU Asyl beantragt, könnte in einen sicheren Drittstaat überstellt werden und sich dort dem Asylverfahren unterziehen." Nach Vorstellung der EVP gewährt dieser sichere Drittstaat dem Antragsteller "Schutz vor Ort". Die Grenzschutzagentur Frontex soll massiv ausgebaut und finanziell besser ausgestattet werden.
23 Seiten Seiten umfasst das Wahlprogramm. Bei der abschließenden Abstimmung am Abend gab es keine Gegenstimmen, auch wenn vorher abweichende Stimmen zu vernehmen waren. Es ist jetzt an Ursula von der Leyen zu entscheiden, welche Punkte des Manifests sie in ihrer Bewerbungsrede hervorheben will - und welche eher nicht.