75. Jahrestag der NATO-Gründung Stolz und Sorgen in Brüssel
Es waren vor allem die Osteuropäer, die bei der Feier zum 75. Jahrestag der Gründung die Bedeutung der NATO hervorhoben. Für sie ist die Bedrohung gerade sehr allgegenwärtig.
Am Ende der feierlichen Zeremonie ging es etwas lockerer zu. Zum Marsch der belgischen Fallschirmjäger drängten sich die Außenminister um einen großen Schokoladenkuchen, den hatte Belgien zum 75. Geburtstag spendiert.
Andere bestaunten den Gründungsvertrag der NATO, er lag unter Glas und hochgesichert, extra eingeflogen aus Washington. Dort wird das Dokument normalerweise aufbewahrt. "Das sind nur 14 Paragraphen auf wenigen Seiten", erklärt Jens Stoltenberg, der Generalsekretär der Allianz, den Außenministern. Niemals habe ein einzelnes Dokument mit so wenigen Worten so viel für die Menschen bedeutet: "So viel Sicherheit, so viel Wohlstand und so viel Frieden."
Bedeutung der NATO für Osteuropäer
Es waren die 0steuropäer unter den Außenministern, die dafür sorgten, dass es in der Feierstunde doch noch sehr konkret wurde. Einer nach dem anderen ging ans Mikrofon und erzählte, was die NATO-Gründung im Jahr 1949 für die Länder bedeutete, die auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs waren.
Polen zum Beispiel: "Mein Land war in der Falle, auf der falschen Seite", sagte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski. Sein Kollege aus Lettland, Krisjanis Karins, beschrieb 1949 als ein großes Jahr für den Westen, aber als tragisches Jahr für die baltischen Länder, weil Zehntausende Balten damals unter der Sowjetherrschaft nach Sibirien deportiert wurden.
Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky brachte auf den Punkt, welche historische Bedeutung dann die Aufnahme der Osteuropäer in die NATO bis heute hat: "Unser NATO-Beitritt 1999 war das klare Signal, dass die lange Teilung des europäischen Kontinents beendet ist."
Mehr Verantwortung Europas
Eine Art Wiedervereinigung der Europäer sei das gewesen - und das klang dann schon ein bisschen wehmütig. Der Krieg gegen die Ukraine, Russlands Angriffe auf die Zivilbevölkerung und ihre Versorgungsstruktur, waren auch bei der Jubiläumsfeier im Hauptquartier der NATO das beherrschende Thema.
Und damit auch die Frage, wie Europa sich darauf vorbereiten kann, mehr Verantwortung für die Sicherheit des Kontinents zu übernehmen. "Europa braucht Amerika für die Sicherheit. Dabei ist eine faire Lastenteilung entscheidend", sagte Stoltenberg und betonte: Die Europäer investieren inzwischen viel mehr.
Mehr Planbarkeit, weniger Unsicherheit
Dann folgte ein Satz, der nach Washington gerichtet war - und ganz konkret an die Republikaner in Washington, die Partei von Ex-Präsident Donald Trump: "Und Nordamerika braucht Europa auch." Denn in der NATO-Spitze sieht man mit Sorge, dass die USA so gut wie keine neuen Militärhilfen mehr an die Ukraine gibt, denn die Republikanische Partei blockiert die nötigen Finanzmittel.
Gestern hatte Stoltenberg einen Lösungsvorschlag präsentiert: Die NATO solle künftig die Waffenlieferungen steuern - das hatten bisher die nationalen Regierungen in der Hand: Einige haben viel geliefert, andere wenig, manche gar nichts. Für Kiew bedeutet das ständige Unsicherheit. Stoltenberg will das ändern, mehr Verlässlichkeit, mehr Planbarkeit ist das Ziel. Soweit ist man sich einig.
Völlig ungeklärt ist aber die Frage, wie das finanziert wird. Am besten aus einem gemeinsamen Topf, in den alle einzahlen: 100 Milliarden Euro schweben Stoltenberg vor, um in den kommenden fünf Jahren Waffen für die ukrainische Armee zu beschaffen. Woher das Geld kommen soll, ist noch völlig offen. Die Debatte darüber hat gerade erst begonnen.