Luftbild von Paris

Maßnahmen gegen hohe Preise Französisches Paradies in Zeiten der Krise

Stand: 06.10.2022 10:17 Uhr

Gaspreisbremse, Deckelung des Strompreises, Tankrabatt: Frankreich versucht, auf Kosten einer hohen Staatsverschuldung die Protestlaune in der Bevölkerung gering zu halten. Allerdings steht der Regierung ein weiterer Stresstest bevor.

Es sollte der große Auftakt zur Rentrée werden, zu Beginn der Sitzungsperiode der französischen Nationalversammlung. Einige Gewerkschaften, darunter die linke CGT, hatten Ende vergangener Woche zum nationalen und berufsübergreifenden Streiktag aufgerufen - gegen die steigenden Energiepreise und für mehr Kaufkraft.

"Wir fordern höhere Löhne und vor allem einen höheren Mindestlohn. Niemand kann leugnen, dass wir die Löhne anheben müssen, denn wir haben ein Problem mit der Kaufkraft in diesem Land", erläuterte CGT-Chef Philippe Martinez den Streikaufruf seiner Gewerkschaft.

Auch in Frankreich ist das Leben teurer geworden. Eine Packung Spaghetti kostet rund 30 Cent mehr als noch im vergangenen Jahr, der Butterpreis liegt je nach Marke bei 2,50 Euro und die Bäckerinnung warnt, auch der Baguettepreis wird steigen und könnte Mitte 2023 bei 1,50 Euro liegen.

Tankrabatt bis Dezember verlängert

Im Land, in dem der Brotpreis schon eine Revolution ausgelöst hat, geht aber derzeit kaum einer auf die Straße. Der nationale Streiktag war ein Flop. Denn gerade im Vergleich zu seinen Nachbarländern, ist Frankreich eine Art Paradies: Belgier kaufen in französischen Supermärkten ein und Grenzfranzosen, die sonst gerne im benachbarten Saarland vollgetankt haben, freuen sich über die heimischen Spritpreis: "Sagen wir mal so, die Spritpreise bei Euch oder bei uns, das macht einen richtigen Unterschied. Da ist die Differenz fast 30 Cent. Da müsste ich ja dumm sein, wenn ich in Güdingen tanken gehe, wobei es bei uns gerade 30 Cent billiger ist."

Der Tankrabatt von mittlerweile 30 Cent wurde bis Mitte Dezember verlängert, während er in Deutschland zum September abgeschafft wurde. Denn der französischen Regierung sitzt die Angst im Nacken. Im November 2018 nämlich entfachten sich die langanhaltenden und teils gewalttätigen Proteste der Gelbwesten an den damals steigenden Spritpreisen, der sich im Laufe der sozialen Bewegung generell auf die Kaufkraftfrage ausweitete.

Energiepreis-Steigerung um maximal 15 Prozent

Bis Ende Dezember sind auch deswegen der Gas- und Strompreis staatlich gedeckelt. Und im kommenden Jahr soll der Energiepreis um maximal 15 Prozent steigen. "Wir schützen unsere Haushalte und unsere Firmen gegen die steigenden Energiepreise. Der Preisdeckel ermöglicht es uns, die Inflationsrate niedrig zu halten. Mit etwas mehr als fünf Prozent haben wir die niedrigste Rate der Eurozone", erklärte Finanzminister Bruno Le Maire bei der Vorstellung des Finanzhaushaltes für 2023.

Auf Kosten einer hohen Staatsverschuldung

Im September betrug die Inflationsrate 5,6 Prozent, während Deutschland mit gut zehn Prozent an Preissteigerungen zu kämpfen hat. Allein 16 Milliarden Euro zahlt die französische Regierung in diesem Jahr für die Maßnahmen. Im kommenden Jahr werden die Kosten auf rund 45 Milliarden geschätzt. Auf Kosten einer hohen Staatsverschuldung - derzeit rund 112 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - versucht Frankreich die Protestlaune in der Bevölkerung gering zu halten.

Bis jetzt mit Erfolg. Beim ersten nationalen Streiktag vergangenen Donnerstag waren landesweit nach Angaben der Gewerkschaften 200.000 Menschen auf der Straße. Die Auswirkungen der Streiks auf Schulen, Krankenhäuser oder den Bahnverkehr waren gering.

Allerdings steht der Regierung ein weiterer Stresstest bevor: Sie will die umstrittene Rentenreform noch bis Ende des Jahres ins Parlament bringen. Die wiederum hatte im Dezember 2019 und im Januar 2020 zu wochenlangen Streiks geführt - in der Spitze waren damals nach Angaben der Gewerkschaften landesweit mehr als 1,8 Millionen Menschen auf der Straße.

 

Sabine Wachs, Sabine Wachs, ARD Paris, 05.10.2022 09:03 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 06. Oktober 2022 um 09:20 Uhr.