Marine Le Pen zu Gast in einer Fernsehsendung
analyse

Wahlkampf in Frankreich Wie rechte Medien Le Pens Partei stärken

Stand: 05.07.2024 08:54 Uhr

Ein erzkonservativer Medienmogul, rechte Investoren und Druck auf Journalisten: Welche Rolle spielen französische Medien für den Wahlerfolg des extrem rechten Rassemblement National?

"Meine Großmutter wählt Rassemblement National, seit sie CNews guckt", titelt Street Press. 90 Menschen haben dem französischen Online-Magazin nach einem Aufruf binnen kurzem erzählt, wie sie den Rechtsruck eines Familienmitglieds erleben, das zu den acht Millionen täglichen CNews-Zuschauern gehört.

CNews-Starmoderator Pascal Praud äußert sich in seiner werktäglichen Sendung auf dem TV-Sender sarkastisch über die politische Elite: "Welch verblüffendes Spektakel die politische Klasse liefert - außer der RN natürlich. Welch Schiffbruch, welch Heuchelei!" 

Und er fragt, was wohl die Wähler bei der Stichwahl diesen Sonntag machen werden - nach einer Woche, in der jeder begriffen habe, dass es für die politische, kulturelle, universitäre, sportliche und journalistische Welt Frankreichs nur ein Thema gebe: den Rassemblement National (RN) zu verhindern. Er selbst habe den Eindruck: "Das ist kontraproduktiv!", sagte Praud. 

Rechter Nachrichtensender wird zur Nr. 1

Im Mai 2024 war der CNews-Kanal erstmals die Nr. 1 unter den Nachrichtensendern. Zwar nur mit 0,1 Prozent mehr Einschaltquote als der bisherige Platzhirsch BFMTV, aber immerhin.

Medienforscher Théo Verdier hat im Wahlkampfmonat Juni beliebte Sendungen von CNews und dem Radio Europe1 analysiert. Beide gehören zum Medienimperium des erzkonservativen Milliardärs Vincent Bolloré.

Verdier stellte fest: "Bei seinen Kanälen sind 54 Prozent der Interviewpartner dem extrem rechten Block zuzurechnen. Zuhörer und Zuschauer erleben ein parteiisches Frankreich und nicht mal die Hälfte des politischen Spektrums."

Verschwörungstheorien salonfähig gemacht

Spätestens, seit der Journalist und Politiker Eric Zemmour vor fünf Jahren bei CNews arbeitete, ging es für den Sender an den rechten Rand. Seine Thesen vom "Großen Austausch" der Bevölkerung durch Einwanderer aus Afrika und dem Nahen Osten machte der Kanal salonfähig, sagt Alexis Lévrier.

Der Medienhistoriker an der Uni Reims weiß aber auch, wie mächtig Medienmogul Bolloré ist. Zu dessen Mediensystem gehörten demnach auch Canal+, die Sonntagszeitung Journal de Dimanche und Zeitungen, die er der deutschen Bertelsmann-Gruppe abgekauft hat. Dazu hat er Hachette gekauft, Europas größtes Verlagshaus.

Zum Portfolio gehören auch Kioske auf Bahnhöfen und Flughäfen, erklärt Medienhistoriker Lévrier. Die Folge sei, dass Bolloré die Menschen überall erreiche.

"Es ist ein Blitzkrieg"

Auf so eine nie dagewesene Medien-Konzentration in einer Hand sei die Politik nicht vorbereitet gewesen, sagt Lévrier. Diese Maschinerie sei startklar zum Kreuzzug für ein weißes, christliches Frankreich: "Es ist ein Blitzkrieg. Verliert er, könnte mehr reguliert werden, obwohl Frankreichs Behörden dafür nicht alle nötigen Mittel haben. Gewinnt Bolloré aber, hat er freie Bahn."

Eine rechte Mehrheit würde nichts regulieren, was dem Milliardärs-Imperium schade, sondern nur die Öffentlich-Rechtlichen schwächen. Wobei auch Präsident Emmanuel Macron sie durch die Abschaffung der Rundfunkgebühr und Pläne zu Fusionen nicht unbedingt stabilisiert hat.

Die mehrmalige RN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen geht aber viel weiter: "Wir denken, in einer großen Demokratie darf der Staat sich nicht den Großteil der Medien aneignen. Um frei zu sein, ist es am besten, finanziell nicht von der Regierung abzuhängen."

Dafür lieber von einem Milliardär, der Linien vorgibt und die Bezeichnung "extrem rechts" für den RN verbieten lässt, obwohl die hohe Instanz des Staatsrats dies für zulässig erklärt hatte?

Kontroverses Programm, umstrittener Moderator

Der öffentliche Sender France Info ging in einem Bericht den Verhältnissen bei Bollorés Radio Europe1 nach. Dort hatte der umstrittene Moderator Cyril Hanouna vor der ersten Runde der Parlamentswahl vorübergehend eine Wahlsendung bekommen.

Gegenüber France Info beschrieb ein Journalist, wie die Redaktion darauf reagierte: "Als Cyril kam, herrschte eine Atmosphäre wie bei einer Beerdigung. Wir hatten auch das Gefühl, unser Radio zu beerdigen."

Die Redaktion habe sich schon daran gewöhnt gehabt, aus unredlichen Blickwinkeln rechte Infos zu verbreiten. Aber diese wochentägliche, zweistündige Sendung sei ein ideologisches Programm gewesen, eine Karikatur von Information, so die anonyme Wortmeldung. Schon wenige Tage nach Hanounas Sendestart verwarnte die Medienaufsicht ARCOM ihn wegen unlauterer Behandlung des Linksbündnisses.

Einschüchtern, knebeln, zensieren

Nicht nur bei Bolloré-Medien gibt es Einflussnahme. Gerade kämpft die Belegschaft der Zeitschrift Marianne gegen einen als rechts eingestuften Investor.

Und im renommierten konservativen Blatt Le Figaro kritisierten die Redakteure den Leitartikel ihres Chefs, aus dem man eine Wahlempfehlung für den RN herauslesen konnte und fragten: "Definiert sich der Figaro noch als liberale, konservative, proeuropäische Zeitung, die der extremem Rechten entgegen steht?" Das aber sei die historische Linie der Tageszeitung, die ihre Stärke ausmache, schrieb die besorgte Redaktion.

Druck auf Journalisten

Unter Druck gesetzt werden auch einzelne Journalisten. Karim Rissouli, Moderator der Talkshow "Ce soir" beim öffentlichen TV-Sender France 5, fand dieser Tage in seinem Briefkasten einen Zettel, den Rissouli später beim Websender Brut vorlas.

In krakeligen Großbuchstaben standen auf dem Zettel Wahlversprechen des RN und die Botschaft des anonymen Schreibers: "Mal ehrlich, Karim. Es geht nicht um Kaufkraft, die Rente mit 60 oder die Privatisierung von Radio France. Der einzige Grund der Stimmen für den RN ist, dass das historische französische Volk die Schnauze voll hat von allen Kameltreibern."

Rassismus sei keine Meinung, sondern eine Straftat, konterte Rissouli, der jedoch dabei sichtlich betroffen wirkte.

Ein Appell gegen Rechts und seine Folgen

Mehr als 100 Medien, darunter die investigative Internetzeitung Mediapart, veröffentlichten deshalb einen Aufruf, den Sieg des RN zu verhindern.

Doch kneifen die Öffentlich-Rechtlichen schon? France Télévisions hat  mehrere Journalisten für ihre Unterschrift unter den Medien-Appell von der Wahlberichterstattung suspendiert. Neutralität sei Pflicht, lautet die Begründung.

Medienexperte Alexis Lévrier findet mit Blick auf die Entwicklungen in der Presse Ungarns oder Italiens: Für freie Medien sei es wichtig, keine extrem rechte Regierung zu haben.

Und er resümiert: "In den nächsten Tagen entscheidet sich das politische Schicksal Frankreichs, aber auch das Schicksal der französischen Medien."