Neuwahlen in Frankreich Wird Olympia die Wahl entscheiden?
Einen Monat vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris läuft vieles nach Plan - trotz der bevorstehenden Neuwahlen. Sportler haben einen Appell gegen die extreme Rechte unterzeichnet. Eine konservative Regionalchefin ruft zur politischen Feuerpause auf.
Don Juan, Gavroche oder Paris Etoile heißen Dampfer, Kähne und Bateaux Mouches, die an diesem Tag für den Bootskorso auf der Seine proben. Eskortiert von schwarzen Flitzern der Préfecture de Police mit Hartgummi-Bug und Blaulicht. Thierry Reboul in Basecap und Jeans ist im Organisationskomitee für die Eröffnungszeremonie zuständig. "Jedes Boot muss mit extrem präzisem Timing navigieren. Und zur rechten Zeit am rechten Ort sein, teils auf die Sekunde genau", erklärt er.
Je nach Bootsgröße werden Athletinnen und Athleten am 26. Juli nur ein bis drei Minuten zum Aussteigen haben. Auch Sportministerin Oudéa-Castéra im himmelblauen Jackett lässt sich von Politik nicht ablenken. "Sie sehen uns als Team konzentriert bei der Arbeit. Wir engagieren uns für erfolgreiche Spiele mit allen Menschen guten Willens, die an das Projekt glauben und an die Republik", sagt sie. "Wir wollen die Franzosen stolz machen und ausländischen Zuschauern viel bieten."
Völkerfreundschaft oder Hass?
Dann teilt die Sportministerin doch aus - erst nach extremlinks, dann nach extremrechts: "Die Partei La France Insoumise hat gegen alle Olympiagesetze gestimmt, auch gegen die zu Sicherheitsfragen. Und der Rassemblement National hat sich wenig für die Spiele interessiert. Nur dass Marine Le Pen befand, wenn wir die afrikanisch-stämmige Sängerin Aya Nakamura bei der Eröffnung singen lassen sollten, würde das die Franzosen erniedrigen. Ich finde das bedrückend."
Die Frage sei nicht nur, welche Regierung man wünsche, sondern auch, welche Botschaft man in die Welt senden wolle: Weltoffenheit und Völkerfreundschaft oder Hass und Abkapselung, so die Ministerin.
Der Gedanke an die Spiele soll die Wahl entscheiden? Die Bürger würden Olympia sehr wohl dabei berücksichtigen, glaubt Präsident Macron. Man habe seit Gründung des Organisationskomitees schon zwölf Wahlen erlebt.
"Demokratischer Prozess wird Spiele nicht stören"
Strategisch sei alles längst entschieden, man sei auf der Zielgeraden, versichert Chef-Organisator Estanguet, und werde liefern. Das Budget sei im Lot, die Begeisterung groß: Die Olympische Flamme etwa haben schon mehr als drei Millionen Franzosen begleitet. Auch IOC-Chef Bach bleibt gelassen.
"Es ist ein demokratischer Prozess. Er wird die Spiele nicht stören", sagte Bach just am Tag nach der Parlamentsauflösung in Paris. "Wir spüren den Enthusiasmus, den sie hervorrufen. Frankreich wird ein neues Parlament, eine neue Regierung haben und alle werden die Olympischen Spiele unterstützen."
Le Monde: "Spiele der Präfekten"
Immerhin hat der extremrechte RN-Chef Bardella auf X bekräftigt, als Premier würde er den Apparat, der Olympia seit Monaten vorbereite, beibehalten: "Ich habe totales Vertrauen in die staatlichen Behörden, die Olympischen Spiele 2024 zu organisieren. Dieses Ergebnis soll ein großer Erfolg für die Nation werden."
Innenminister Darmanin konterte ebendort süffisant: "Nun sind Sie endlich genötigt, die Effektivität der Regierung des Innenministers anzuerkennen. Am besten, Sie kümmern sich um nichts: Ihre Unerfahrenheit und Radikalität bringen nur Franzosen und Polizisten in Gefahr."
Die Tageszeitung Le Monde schreibt bereits von den "Spielen der Präfekten", die mit weiten Polizei- und Verwaltungsbefugnissen den Zentralstaat regional vertreten, die Macher hinter den Kulissen.
Zur Eröffnung mehr als 45.000 Polizisten
Gleich zwei sind zur Übung auf der Seine gekommen. Also noch mehr Verantwortung für den Pariser Präfekten Nunez? "Nein, nicht weniger, nicht mehr. Wir sind im Wahlkampf zur Neutralität verpflichtet. Wir hohen Funktionäre haben also nichts zu kommentieren. Wir bereiten die Zeremonie vor und die Absicherung der Spiele - mit großer Bestimmtheit und Ruhe."
Ruhe? Es gibt Stimmen, die befürchten eher Unruhe nach den Wahlen. Könnten Ausschreitungen - medienwirksam vor Olympia-Kulisse - die Spiele gefährden?
"Nein, wir fürchten nichts und sind gewappnet", sagt Nunez Tage später im Radio. "Wir haben ein extrem großes Sicherheitsaufgebot im Pariser Umland." Nunez erwähnt 45.000 Polizisten und Gendarmen zur Eröffnung, "noch nicht die 10.000 Antiterror-Einsatzkräfte des Militärs mitgezählt. Und an normalen Tagen sind es 30.000 insgesamt. Wir sind erfahren genug."
Sportlerappell gegen extreme Rechte
Und die Sportler? Kylian Mbappés Olympiatraum scheitert nicht an der politischen Lage, sondern an der Nichtfreigabe durch seinen neuen Klub Real Madrid. Dennoch wurde er bei der Fußball-Europameisterschaft deutlich. Die Extremen stünden vor den Toren der Macht und er hoffe, am 7. Juli - dem Tag der Stichwahl - noch stolz sein zu können, Frankreichs Trikot zu tragen. 160 weitere große Namen des französischen Sports haben einen Appell gegen die extreme Rechte unterzeichnet.
"Olympia ist etwas größer als unsere Egos"
Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Hidalgo versprach bereits, nichts werde die Spiele verderben. Und die konservative Regionalchefin des Pariser Umlands, Pécresse, sagte öffentlich: "Ich rufe zu einer politischen Feuerpause und völliger Einheit bei Olympia auf - egal wie die Wahlen ausgehen. Denn die Olympischen Spiele richtet nicht irgendeine Partei aus, sondern Frankreich. Machen wir nicht die Arbeit Hunderttausender zunichte. Olympia ist etwas größer als unsere Egos und unser Streit es sind!"
Auf der Seine kommen indes die letzten Boote an, mit Namen wie "Excellence" oder "Sanssouci". Sorglos ist die Lage nicht, doch mit Olympia mag sich wohl jeder schmücken. Überall in der Stadt wachsen Tribünen in die Höhe - für Beachvolleyball, Bogenschießen, Breaking. Und im Stade de France liegt die neue Tartanbahn. Es läuft, trotz Neuwahlen.