Rentenreform in Frankreich "64 - ehrlich, das geht nicht"
Seit Wochen protestieren Frankreichs Gewerkschaften gegen die geplante Rentenreform - auch heute. Die Regierung gibt sich unbeirrt. Sie setzt auf eine Kommission, um ihr Vorhaben durch beide Parlamentskammern zu bringen.
Für die Mitglieder der Gewerkschaft CGT Cheminots in Bischheim bei Straßburg geht es um die Wurst - im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Vor dem nächsten landesweiten Protest-Tag haben die Eisenbahner ein Grillfest organisiert, um ihre Forderungen nochmal deutlich zu machen.
"Wir stehen jeden Morgen auf, und es wird immer schwerer, über die Runden zu kommen", erzählt ein Gewerkschafter dem Fernsehsender BFMTV. "64 - ehrlich, das geht nicht." Es gebe so viele, die arbeiten wollen. Er würde seinen Platz gern den Jungen überlassen. "Je früher desto besser!"
Ein anderer sagt: "Wir wollen diese Reform nicht. Denn sie ist schlecht; für alle! Wir streiken weiter und sind bereit, das bis zum Ende durchzuziehen." Die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung sei gegen die Reform. Der Ball würde im Feld der Regierung liegen. "Sie muss darauf reagieren oder das Projekt zurückziehen."
Eine Kommission soll vermitteln
Beide Gewerkschafter wollen Dampf machen und die Protestbewegung hochhalten. Der Fokus dürfte sich heute aber wieder auf die politische Ebene verschieben. Denn dann tagt auch die so genannte "Commission Mixte Paritaire"; eine Art Vermittlungsausschuss zwischen den beiden Kammern im Parlament.
Das Gremium soll einen endgültigen Entwurf für die Rentenreform erarbeiten. Philippe Vigier ist Abgeordneter der Nationalversammlung und Mitglied der Kommission: "Für mich ist das die elfte Kommission seit ich Abgeordneter bin. Und das ist ein Moment ernsthafter Arbeit - ziemlich technisch übrigens." Die Mitglieder würden den Text dann Absatz für Absatz durchgehen; manchmal auch direkt Änderungen reinschreiben.
Zuversicht bei Premier Borne
Sollte sich der Vermittlungsausschuss auf einen gemeinsamen Text einigen, könnte der schon am Donnerstag beiden Parlamentskammern zur Abstimmung vorgelegt werden. Premierministerin Elisabeth Borne hat sich zuletzt kämpferisch gezeigt. Sie ist zuversichtlich, dass die Reform dann auch in der Nationalversammlung durchkommt. "Es gibt in diesem Parlament eine Mehrheit, die an die Arbeit glaubt - auch an die Arbeit der älteren Menschen."
Borne ist sich sicher, dass es eine Mehrheit gibt, "die an ein Rentensystem glaubt, das auf Umverteilung basiert und die der Jugend garantieren will, dass auch sie noch etwas davon haben wird". Diese Mehrheit wolle die Renten nicht über höheren Steuern finanzieren und habe auch keine Angst, unbeliebte Reformen umzusetzen, wenn die nötig seien.
Vieles hängt von den Konservativen ab
Um die Reform zu verabschieden, braucht die Regierung aber die Stimmen der Konservativen Les Républicains. Doch Teile der Konservativen sind mit Aspekten der Reform nicht einverstanden. Ihre geschlossene Unterstützung ist alles andere als sicher.
Es ist möglich, dass die Regierung am Ende den berüchtigten Artikel 49.3 der Verfassung braucht. Der ist eine Art "parlamentarische Brechstange", mit der ein Gesetz auch ohne Abstimmung durchs Parlament gebracht werden kann. Das will die Regierung eigentlich vermeiden - denn es könnte die Proteste zusätzlich anheizen.