Proteste in Georgien Kritik am geplanten "Agentengesetz"
Das "Agentengesetz" sorgt in Georgien für schwere Proteste. Es soll ausländischen Einfluss auf Medien und Organisationen beschränken. Tritt es in Kraft, könnte es den EU-Beitritt Georgiens gefährden.
Eine spontane, zunächst friedliche Demonstration, etwa 3000 Teilnehmer, später der Versuch, das Parlamentsgebäude zu stürmen, Tränengas, Wasserwerfer - 50 verletzte Polizisten, über 60 Festnahmen meldeten georgische Medien heute Morgen.
Auslöser des Protests: ein Gesetz, das gestern in erster Lesung das Georgische Parlament passierte. Es soll sich gegen unkontrollierten ausländischen Einfluss auf Massenmedien und politische Organisationen richten. Werden sie zu über 20 Prozent aus dem Ausland finanziell gefördert, müssen sie sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen - die Liste würde dann veröffentlicht.
Diente Russlands Gesetz als Vorlage?
Kritiker fürchten, als Blaupause habe das russische Gesetz gegen ausländische Agenten gedient, das seit 2012 in Kraft ist. Seither wurde es mehrfach verschärft und dient dort zur Unterdrückung oppositioneller Politiker, Aktivisten und Organisationen.
Prominenteste Gegnerin des Gesetzes ist Salome Surabischwili - seit 2018 direkt gewählte georgische Präsidentin. Sie veröffentlichte vom Staatsbesuch in New York ein Video. "Seit dem ersten Tag sage ich, dass ich mein Veto einlegen werde. Denn für mich ist nur die Verfassung von Interesse, deren Garant ich bin", sagt sie darin. "Und die verpflichtet mich, alles dafür zu tun, dass unser Land der Europäischen Union beitritt, dass wir immer dem Weg zur Europäischen Integration folgen."
Regierungspartei-Chef: Es geht nur um Transparenz
Ein Veto der Präsidentin könnte die langjährige Regierungspartei "Georgischer Traum" mit ihrer absoluten Mehrheit im georgischen Parlament überstimmen. Parteichef Irakli Kobachidse nahm zu den heftigen Protesten gegen das Gesetzesvorhaben Stellung: Es gehe wirklich nur um Transparenz, die Öffentlichkeit solle erfahren, wer extremistische Organisationen in Georgien finanziere.
Und hinter dem Entwurf stehe nicht das russische Gesetz gegen ausländische Agenten sondern ein US-amerikanisches, der bereits 1938 verabschiedete "Foreign Agents Registration Act", der sich damals zunächst gegen Propagandisten Hitler-Deutschlands richtete.
Borrell: Gesetz gefährdet EU-Beitritt
In die massive Kritik am aktuellen Gesetzesvorhaben reihte sich aber auch die US-Botschaft in Georgien ein. Ein düsterer Tag für die georgische Demokratie sei der Tag der ersten Lesung gewesen. Halte die georgische Regierung am Vorhaben fest, werde das ihren Beziehungen zu ihren strategischen Partnern schaden. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte, das Gesetz sei "unvereinbar mit den Werten der EU" und richte sich damit gegen das Ziel, der EU beizutreten.
Gesetz vorläufig gestoppt
Heute verkündete der Chef der georgischen Regierungspartei ein vorläufiges Stoppsignal. Das Gesetz werde vorerst nicht weiter behandelt, sondern sei der Venedig-Kommission des Europarates zur Überprüfung zugeschickt worden. Die Venedig-Kommission ist ein Gremium, das Staaten in verfassungsrechtlichen Fragen berät.
In etwa drei Monaten dürfte ein Gutachten vorliegen - bis dahin wird das georgische Parlament das umstrittene "Agentengesetz" nicht weiter behandeln. Dennoch sind für heute in Tiflis weitere Proteste angekündigt.