NATO-Verteidigungsminister Aufrüstung statt Einmischung
Die NATO-Verteidigungsminister beraten in Brüssel über den Ausbau der Präsenz im östlichen Bündnisgebiet. Sorge bereitet auch ein möglicher Chemiewaffen-Einsatz Russlands in der Ukraine.
Es sind die Journalistinnen und Journalisten aus der Ukraine, die in Brüssel immer wieder die eine Frage stellen. Mal verzweifelt, mal bestimmt und mit Druck. "Die Frage ist", so der Korrespondent der nationalen ukrainischen Nachrichtenagentur in der Pressekonferenz im NATO-Hauptquartier: "Ist nicht jetzt der richtige Zeitpunkt für die NATO einzugreifen?" Um Putins "Militärmaschine" zu schlagen, "bevor russische Bomben auf europäische Hauptstädte fallen".
NATO-Einsatz nahezu ausgeschlossen
Die Antwort von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf die Frage fiel deutlich aus. "Seit Jahren trainieren die Alliierten zigtausende ukrainische Soldaten", sagte er. Viele von ihnen seien jetzt an der Front im Einsatz. Außerdem hätten die Alliierten die Armee seit 2014 massiv aufgerüstet: Waffen geliefert, darunter Panzer- und Luftabwehrwaffen, Drohen, Munition und Treibstoff. "Die Ausbildung und die Ausrüstung hilft der Ukraine, sich selbst zu verteidigen."
Hilfe zur Selbsthilfe - das war nicht die Einmischung, die der ukrainische Journalist im Kopf hatte. Trotzdem: Dass die NATO selbst Truppen in die Ukraine schickt, gilt als ausgeschlossen. Genauso ausgeschlossen wie eine Flugverbotszone über der Ukraine. Sie müsste überwacht und garantiert werden; westliches Militär müsste bei einer Verletzung des Luftraums notfalls russische Flugzeuge abschießen. Und das hätte zur Folge, was alle dreißig NATO-Mitgliedsländer mit allen Mitteln verhindern wollen - dass sie hineingezogen werden in einen Krieg gegen Russland.
Krisensitzung der NATO-Verteidigungsminister
Wenn die Verteidigungsminister der NATO nun in Brüssel zu einer Krisensitzung zusammenkommen, dann werden sie wahrscheinlich nicht über eine Einmischung in den Ukraine-Krieg sprechen. Aber sie werden über Konsequenzen beraten, die der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin für das Bündnis haben könnte.
Man werde die Truppenpräsenz und die Verteidigungsstrategie überdenken, so Stoltenberg. Nicht nur wegen der russischen Invasion in die Ukraine, sondern auch "im Lichte der Zusammenlegung russischer und belarusischer Streitkräfte". Aus westlicher Sicht ist das eine neue Bedrohungslage.
Die Militärplaner der Allianz sollen nun den Auftrag bekommen, eine Antwort auszuarbeiten. Schon jetzt sind mehrere Hunderttausend NATO-Soldaten in erhöhter Alarmbereitschaft. Allein aus den USA sind inzwischen 100.000 Soldaten in Europa. Frankreich verlegt etwa 3000 Soldaten nach Rumänien.
USA: Druck auf Moskau weiter erhöhen
Die US-amerikanische Botschafterin bei der NATO, Julianne Smith, kündigte weitere Maßnahmen an. "Die Alliierten aus den 30 Mitgliedsländern werden sich zusammensetzen", so Smith, "um darüber sprechen, wie der Druck auf Moskau erhöht werden kann". Es geht um eine rote Linie für den russischen Präsidenten. Sie beginnt an der NATO-Ostgrenze. Im östlichen Teil der Allianz sollen mehr Truppen stationiert werden, sie sollen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt werden. Im Gespräch ist darüber hinaus eine Verstärkung in den Bereichen von Luftwaffe und Marine.
Alarmiert ist man bei der NATO auch durch den russischen Vorwurf, es gebe in der Ukraine biologische Labore und chemische Waffen. Das könne ein Vorwand sein, so Generalsekretär Stoltenberg, dass Russland selbst den Einsatz chemischer Waffen plane. Putin habe das auch schon im Syrien-Krieg möglich gemacht.