Junge Kunden am Limonadenregal eines Londoner Supermarkts.

Zuckersteuer in Großbritannien Der Zuckergehalt sinkt - das Übergewicht auch

Stand: 18.06.2024 14:50 Uhr

In Großbritannien gibt es seit sechs Jahren eine Zuckersteuer auf gesüßte Getränke. Obwohl sie Wirkung zeigt, hat die Regierung weitere Regeln vertagt. Selbst Fast-Food-Unternehmer finden das nicht gut.

Viele Briten lieben Softdrinks, viele Briten bringen aber auch zu viel auf die Waage. Genau hier setzt die Zuckersteuer an. Offiziell heißt sie "Soft Drinks Industry Levy", es handelt sich also um eine Steuer, die die Hersteller von Softdrinks für stark zuckerhaltige Getränke zahlen müssen. 

Die Besteuerung ist dabei gestaffelt: Ab fünf Gramm Zucker pro 100 Millilitern beträgt die Steuer 18 Pence pro Liter, ab 8 Gramm Zucker werden 24 Pence pro Liter fällig. "Action on Sugar" macht sich für genau solche staatlichen Eingriffe stark. Die Organisation besteht aus Ärztinnen und Wissenschaftlern, die vor den negativen Folgen eines zu hohen Zuckerkonsums warnen.

Die Steuer sei hilfreich, sagt Ernährungsexpertin Mhairi Brown, die Sprecherin von "Action on Sugar": "Sie stellt für die Getränkehersteller einen großen Anreiz dar, den Zuckergehalt zu reduzieren, um die Steuer zu vermeiden."

Lockangebote befeuern Zuckerkonsum

In der Tat haben viele Hersteller den Zuckergehalt ihrer Softdrinks gesenkt. Enthielten 2015 noch fast 50 Prozent der im Supermarkt angebotenen Getränke mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter, waren es 2019 nur noch 15 Prozent. Außerdem legt eine Studie der Cambridge University nahe, dass die Zuckersteuer die Fettleibigkeit bei zehn- und elfjährigen Mädchen um acht Prozent verringert hat.

Dabei ist die Zuckersteuer nur ein Teil eines ganzen Pakets, mit dem die konservative Regierung in den vergangenen Jahren gegen Übergewicht vorgehen wollte. Allerdings wurden zentrale Bestandteile immer weiter verschoben. Zwar dürfen Supermärkte seit Herbst 2022 keine "Quengelware" mehr an den Kassen platzieren - also etwa Schokoriegel auf Augenhöhe von Kindern im Wartebereich vor der Kasse. Aber das eigentlich für Oktober 2023 geplante Verbot von Lockangeboten für Junkfood soll nun doch erst im Herbst 2025 kommen.

Die Regierung begründete die Verschiebung mit den derzeit hohen Lebensmittelpreisen und Lebenshaltungskosten. Bei den Lockangeboten geht es unter anderem um die "buy one get one free"-Angebote, bei denen man zum Beispiel beim Kauf einer Tafel Schokolade eine weitere umsonst bekommt. Experten zufolge führen Angebote dieser Art fast zu einer Verdoppelung des Schokoladenkonsums.

"Gesundheit der Nation ihr größtes Kapital"

Auch im Bereich der Werbung ging es bisher nur schleppend voran. Geplant war, dass ungesunde Lebensmittel im Fernsehen erst ab 21 Uhr beworben werden dürfen und online gar nicht mehr. Auch dieses Gesetz ist auf Oktober 2025 verschoben worden. Die Begründung, dass die Lebensmittelindustrie mehr Zeit benötigen würde, um sich darauf vorzubereiten, hält Ernährungswissenschaftlerin Mhairi Brown für vorgeschoben. Sie ist der Meinung, dass die Regierung den Lobbyisten gegenüber eingeknickt sei.

Das glaubt auch Henry Dimbleby. Der Autor mehrerer Kochbücher und Mitgründer der Schnellrestaurantkette Leon, die "gesünderes Fast Food" anbietet, war einst Berater des britischen Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung. Er sollte beim Kampf gegen das Übergewicht helfen, hat schließlich aber aufgegeben.

Dimbleby wirft der Regierung Versagen vor: "Winston Churchill hat die Gesundheit der Nation als ihr größtes Kapital bezeichnet. Die Rolle von Regierungen ist es einzugreifen, um Probleme zu beseitigen. Aber die moderne konservative Ideologie ist, dass man alles laufen lassen kann, ohne je einzugreifen", kritisiert er. "Es wird dem Land sehr schaden, wenn sich das nicht ändert."  

Dimbleby ist sich sicher, dass auf das britische Gesundheitssystem gigantische Kosten zurollen. In England ist unter den Zehn- und Elfjährigen schon heute fast jedes vierte Kind fettleibig, insgesamt bringen 38 Prozent dieser Altersgruppe zu viel auf die Waage. Bei den Erwachsenen sind es 64 Prozent.

Gabi Biesinger, ARD London, tagesschau, 18.06.2024 14:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 18. Juni 2024 um 14:50 Uhr.