Einsatz gegen die Ukraine Putin kündigt Serienproduktion von neuer Rakete an
Russlands Präsident Putin will die neue Mittelstreckenrakete "Oreschnik" in Serie produzieren. Sie wurde beim jüngsten Angriff auf das ukrainische Dnipro genutzt. Die Ukraine fordert eine Antwort, Militärexperten warnen vor einer "heiklen Dynamik".
Bei dem jüngsten russischen Angriff auf die ukrainische Großstadt Dnipro feuerte Russland mit einer neuartigen Mittelstreckenrakete, genannt wird sie "Oreschnik". Der russische Präsident Wladimir Putin hat nun angekündigt, eine Serienproduktion dieser neuen Waffe zu starten. Das sagte er vor Vertretern von Militär und Rüstungsindustrie.
"Wir müssen mit der Serienproduktion beginnen", so der Kreml-Chef und lobte die "besondere Stärke dieser Waffe und ihre Kraft". Außerdem ordnete er weitere Tests der Rakete an: "Wir werden diese Tests fortsetzen, auch in Kampfsituationen, abhängig von der Situation und der Art der Bedrohungen für die Sicherheit Russlands."
Laut dem Chef der strategischen Raketenstreitkräfte Russlands, Sergej Karakajew, könne Russland mit "Oreschnik" Ziele auf dem "ganzen Gebiet Europas" angreifen.
Experten: Nukleare Sprengsätze möglich
Nach unabhängig bislang nicht bestätigten russischen Angaben kann die "Oreschnik" mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen. Putin behauptet, dass die Rakete nicht abgefangen werden kann. Experten gehen davon aus, dass sie auch mit nuklearen Sprengsätzen bestückt werden könnte.
Vermutlich besitze Russland nur eine Handvoll dieser Geschosse, sagte ein US-Regierungsvertreter. Auch aus ukrainischen Armeekreisen hieß es, Russland habe nur wenige dieser Raketen.
Reaktion aus der Ukraine
Die Ukraine kündigte ihrerseits an, Luftabwehrsysteme gegen "neue Risiken" zu entwickeln. In seiner abendlichen Ansprache forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Welt erneut zu einer "ernsthaften Reaktion" gegen den Einsatz der neuen Mittelstreckenrakete auf. Putin müsse Konsequenzen spüren. An einem anderen Land "neue Terrorwaffen" zu testen, sei ein internationales Verbrechen, sagte er.
Einen Tag nach dem Angriff machte die Ukraine auch eigene Erkenntnisse über das Geschoss öffentlich. Die Rakete habe mehr als die elffache Schallgeschwindigkeit erreicht, teilte der ukrainische Geheimdienst mit. Sie sei vom Start in der südrussischen Region Astrachan bis zum Einschlag in Dnipro 15 Minuten geflogen. Russland habe ähnliche Raketen im Juni und im Oktober vergangenen Jahres getestet, erklärte der Geheimdienst.
Russland spricht von "Botschaft an den Westen"
Russland bezeichnete den Einsatz der Hyperschall-Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine als "Botschaft an den Westen". Die Hauptbotschaft sei, dass die rücksichtslosen Entscheidungen und Handlungen westlicher Länder, die der Ukraine erlaubten, mit von ihnen gelieferten Raketen russisches Territorium anzugreifen, "nicht ohne Reaktion der russischen Seite bleiben können", sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
In den vergangenen Tagen hatte die Ukraine Ziele auf russischem Territorium mit US-Raketen des Typs "ATACMS" und mit von Großbritannien gelieferten "Storm Shadow"-Marschflugkörpern angegriffen.
Militärexperte warnt vor heikler Dynamik
Im NDR-Podcast "Streitkräfte und Strategien" sprach der Militärexperte Franz-Stefan Gady über Putins Strategie. Seiner Meinung nach will der Kreml mit dem Abschuss der Rakete eine Botschaft an den Westen senden: "Eine Botschaft der Abschreckung." Er halte die "nukleare Drohgebärde" für ein "sehr gefährliches Spiel", sagte Gady. Der Analyst warnte vor einer heiklen Dynamik und riet Deutschland zu einer Mischung aus militärischem Druck und Dialog.
Ähnlich bewertet in der Bild-Zeitung Benjamin Tallis die Motive von Putin. Der Direktor der Berliner Denkfabrik "Democratic Strategy Initiative" nannte die russischen Drohungen "psychologische Kriegsführung". Das Ziel sei, die europäische - und insbesondere deutsche - Schwäche zu zeigen, "mit Entschlossenheit für uns selbst einzustehen, wenn wir bedroht werden".
"Wir haben es hier mit etwas noch nie Dagewesenem zu tun, und es ist viel mehr ein politischer als ein militärischer Akt", sagt Héloïse Fayet von der französischen Denkfabrik Ifri.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte berief nach dem Einsatz einer neuen russischen Mittelstreckenrakete eine Sondersitzung des NATO-Ukraine-Rats ein. Bei dem Treffen am kommenden Dienstag soll es nach Angaben eines Bündnissprechers um den Umgang mit dem Angriff auf Dnipro gehen.
Scholz: "Gefährliche Eskalation"
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Einsatz einer russischen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine als eine gefährliche Eskalation. "Wie gefährlich dieser Krieg ist, sehen alle an der jüngsten Eskalation", sagt der Kanzler auf einer SPD-Kommunalveranstaltung. Dies gelte auch für den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite.
Er bleibe aber dabei, dass keine "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werden sollen. Eine direkte Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland müsse vermieden werden.
China mahnt zu Zurückhaltung
Unterdessen rief China alle Seiten zu Zurückhaltung auf. "Alle Parteien sollten ruhig bleiben und sich in Zurückhaltung üben", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian, vor Journalisten in Peking. Alle Seiten in dem Konflikt sollten zudem "auf eine Deeskalation der Situation durch Dialog und Gespräche hinarbeiten und die Bedingungen für eine baldigen Waffenstillstand schaffen".
China nimmt für sich in Anspruch, im Konflikt in der Ukraine eine neutrale Position einzunehmen. Zwischen Moskau und Peking bestehen jedoch enge Beziehungen, die im Westen für Kritik sorgen.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban rief dazu auf, Russlands Drohungen, mehr Angriffe mit neuen Waffen durchzuführen, ernst zu nehmen. "Wenn sie in dieser Angelegenheit etwas sagen, sollte es für bare Münze genommen werden", sagte Orban bei seinem wöchentlichen Interview im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.