Friedensnobelpreisträger von 2022 Schweigen ist keine Option
Heute wird der Friedensnobelpreis vergeben. 2022 ging er an Menschenrechtler aus Belarus und Russland. Wie geht es ihnen heute - allen voran dem Memorial-Mitbegründer Orlow und dem Wjasna-Gründer Bjaljatzki?
Wie es Ales Bjaljatzki geht, ist schwer zu sagen. Der Gründer der belarusischen Menschenrechtsorganisation Wjasna (Frühling) sitzt im Straflager. Abgeschottet von der Außenwelt. So wie Hunderte politische Gefangene in Belarus, die das System vergessen machen will. Weil sie sich 2020 gegen Machthaber Alexander Lukaschenko erhoben und lautstark und für alle Welt sichtbar freie Wahlen, Bürger- und Freiheitsrechte eingefordert hatten.
Ihnen allen gebühre die Auszeichnung, so Natalja Pintschuk, die im Dezember den Nobelpreis stellvertretend für ihren Mann Ales in Empfang genommen hatte:
Dieser Preis gehört den Verteidigern der Menschenrechte, allen Bürgerrechtsaktivisten, den Zehntausenden Belarusen, die geschlagen, gefoltert und festgenommen wurden und im Gefängnis landeten.
Gezeichnet, aber nicht gebrochen
Bjaljatzki sitzt seit Juli 2021 hinter Gittern. Im März wurde er in einem klar politisch motivierten Prozess verurteilt - zu einer zehnjährigen Haftstrafe. Wegen angeblichen Schmuggels und der Finanzierung öffentlicher Unruhen. Schon zu diesem Zeitpunkt war der heute 61-Jährige gezeichnet von der Zeit im Gefängnis. Gebrochen sei er aber nicht, sagt seine Frau.
Der belarusische Menschenrechtler steht zu seinen Überzeugungen. Und er sei sich sicher, das Richtige zu tun - auch wenn er dafür einen hohen Preis zahlen müsse, wie er selbst einmal in einem Interview sagte:
Ich werde weitermachen, solange meine moralischen und physischen Kräfte reichen.
"Keine Prämie schützt vor irgendetwas"
Für die Moral, sagt der Mitbegründer der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow, sei eine Auszeichnung wie der Friedensnobelpreis von unschätzbarem Wert. Weil sie zeige, dass die Arbeit, der Einsatz so vieler Menschen nicht umsonst sei. "Nur vor Repressionen schützt sie nicht", sagt Orlow: "Das haben wir schon lange begriffen - dass kein Bekanntheitsgrad, keine Prämie vor irgendetwas schützt."
An dem Tag, an dem Memorial den Friedensnobelpreis zuerkannt bekam, ordnete ein Moskauer Gericht die Beschlagnahmung der Moskauer Räumlichkeiten von Memorial an. Gegen die Menschenrechtler laufen bis heute weitere Ermittlungen. Es gab Hausdurchsuchungen. Auch bei Orlow, den die Ermittler baten, ihnen die Kopie der Medaille zu zeigen. Ein Autogramm, lächelt der Menschenrechtler, hätten sie zwar nicht gewollt, "aber sie haben gesagt, dass sie zum ersten Mal bei einem Nobelpreisträger eine Hausdurchsuchung machen würden. So ist es halt".
Vor Gericht wegen Kritik am Krieg gegen Ukraine
Orlow muss sich inzwischen wegen eines Aufsatzes vor Gericht verantworten, in dem er den Krieg gegen die Ukraine einen blutigen Krieg nannte, den das Putin-Regime entfesselt habe. Es ist keine verklausulierte Kritik. Es sind klare Worte, die in Russland nur noch selten zu hören und zu lesen sind. Ein Held sei er trotzdem nicht, sagt er lächelnd:
Auch ich habe Angst. Ich will auf keinen Fall im Gefängnis landen. Aber es gibt Dinge, die musst du einfach tun. Das ist Schicksal.
An seiner Seite vor Gericht steht häufig ein anderer Friedensnobelpreisträger: Dmitrij Muratow, der frühere Chefredakteur der Zeitung "Nowaja Gazeta", die inzwischen ihre Drucklizenzen in Russland verloren hat.
Auch auf ihn wird viel Druck ausgeübt. Auch er schweigt nicht. Seine Friedensnobelpreismedaille hat er im vergangenen Sommer versteigern lassen. Für mehr als 100 Millionen Dollar. Geld, das er gespendet hat - zugunsten von ukrainischen Flüchtlingskindern.