Neues Patent auf Lanzarote Strom aus vulkanischer Erdwärme
Ein Team der Uni Pamplona hat ein System entwickelt, das Vulkangebiete mit sauberem Strom versorgen kann - ganz ohne mechanische Verschleißteile. Im Timanfaya-Nationalpark auf Lanzarote wurde das System getestet.
Zwei junge Frauen in leuchtend gelben Sicherheitswesten sitzen in einem Vulkanfeld und schrauben an einer futuristisch anmutenden Apparatur herum. Eine davon ist die Ingenieurin Leyre Catalan. Warum sie bei diesem Projekt mitmacht, wollen wir wissen. Was für eine Frage, sagt die 30-Jährige und lacht.
"Meine Motivation ist: Etwas schaffen, das es bisher nicht gibt auf der Welt", sagt sie. "Wie diese Anlage. Außerdem hilft das dem Planeten, weil wir eine natürliche Ressource nutzen, ohne ihm zu schaden."
Eine neue Art der Erdwärme-Nutzung
Die natürliche Ressource ist Hitze, die sich an dieser Stelle des Timanfaya-Nationalparks nur wenige Meter unter der Oberfläche findet - so weit nach oben steigt die Erdwärme aus dem Bauch des Berges.
Das gewünschte Ergebnis: Daraus Elektrizität zu erzeugen. Geothermie wird auch anderswo genutzt, aber nirgendwo so, wie in diesem Forschungsprojekt, erklärt Professor David Astrain. Er leitet die Forschungsgruppe aus dem nordspanischen Pamplona.
Das ist ein neues System. Im Vergleich zu konventionellen Anlagen kommt es ohne Turbinen aus, die mit Wasserdampf angetrieben werden. Das hier muss man nicht so groß bauen.
Bei großen Anlagen müssten stets Bohrungen vorgenommen, das Gestein aufgespalten werden. Das hat große Auswirkungen auf die Umwelt und sei undenkbar auf touristischen Inseln wie den Kanaren, sagt David und fügt hinzu, deshalb sei das geothermische Potenzial Lanzarotes bisher nie genutzt worden.
Technologie ohne bewegliche Teile
Das Team trägt einen der Prototypen zu seinem Bestimmungsort. Ein zwei Meter langer Metallstab, von seinem oberen Ende stehen mehrere Module seitlich ab, als würde ein Greifvogel seine Flügel ausstrecken. Behutsam senken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Stab in ein Loch herab.
"Diese Technologie hat im Gegensatz zur konventionellen keine beweglichen Teile", erklärt David. "Ihr seht ja, hier bewegt sich nichts und die Auswirkungen sind minimal." Es handele sich einfach um ein Loch im Boden, in das sie einige Röhren mit Wasser einbauen. "Das Wasser transportiert die Wärme nach oben, zu den thermoelektrischen Modulen, die die Wärme direkt in Strom umwandeln."
426 Grad Celsius in zwei Metern Tiefe
Die Module bestehen aus mehreren Halbleitern. Das dahinterliegende Prinzip ist der sogenannte Seebeck-Effekt. Einfach erklärt: In dem System bewegen sich Elektronen zum kühleren Ende, dabei entsteht eine elektrische Spannung - je größer der Temperaturunterschied, desto höher die Thermokraft. Ein Infrarot-Thermometer misst zwischen 33 und 37 Grad Oberflächentemperatur. Und in zwei Metern Tiefe?
426 Grad Celsius heiß sei die Luft, die dort austrete, sagt Patricia Alegria, die ihre Dissertation über das Projekt geschrieben hat. Dank der effizienten Wärmetauscher, die sie konstruiert hätten, gelange die Hitze direkt in die Module, die sie dann in Strom umwandelten, fährt die 28-jährige fort - sichtlich amüsiert, denn unser Team staunt Bauklötze.
Die Ergebnisse seien sehr, sehr gut, sagt Professor Astrain, "denn die Temperatur ist ein wenig gestiegen und das bedeutet, dass wir mehr Strom erzeugen werden. Wir wissen noch nicht wie viel, gehen aber davon aus, dass wir sogar noch mehr erzeugen werden, als mit dem ersten Prototyp."
Strombedarf einer vierköpfigen Familie
Den Strombedarf einer vierköpfigen Familie könne eines dieser Geräte abdecken - wenigstens hoffen sie das. Noch jemand setzt darauf, dass das neue System hält, was es verspricht.
Diese Energie, die wir aus der Erde bekommen, die haben wir 365 Tage. Damit wollen wir den Energiebedarf des Nationalparks decken. Damit wir dafür keine fossilen Energieträger mehr brauchen.
Pascual Gil Muñoz ist der Direktor des Timanfaya Nationalparks. Schon bald soll das Restaurant am Aussichtspunkt "Islote de Hilario" mit Strom aus den neuen Anlagen versorgt werden. Hier befindet sich auch das Testgelände, weitgehend unbeachtet von den Touristen, die sich zeigen lassen, was passiert, wenn ein Parkmitarbeiter einen Eimer Wasser in eine in den Boden eingelassene Röhre gießt - und Sekunden später ein Wasserdampfstrahl fauchend in die Höhe schießt.
Fünfmal mehr Energie als mit Photovoltaik
Wesentlich unspektakulärer als bei den künstlichen Geysiren auf Lanzarote, aber dafür entscheidender, geht es einige Wochen später im Labor der Forschungsgruppe in Pamplona zu. Patricia und David sitzen vor einem Computermonitor, blicken konzentriert auf mehrere Kurven. Eine davon zeigt: Die Anlage liefert konstant Strom. Nachts, wenn der Temperaturunterschied größer ist, etwas mehr als tagsüber.
Wir gewinnen etwa 120 Watt ohne Unterbrechung. Mit diesem System könnten wir also auf Lanzarote fünfmal mehr Energie herstellen als mit Photovoltaik-Anlagen.
Und tatsächlich, das zeigen die Daten, pro Anlage kann ein Vier-Personen-Haushalt mit Strom versogt werden. Nun werden sie das Projekt ausbauen, weitere Anlagen installieren und ein Jahr lang beobachten. Für Nachwuchswissenschaftlerin Patricia ist die Arbeit damit aber noch lange nicht beendet: "Jetzt müssen wir Zonen mit ähnlichem geothermischen Potenzial untersuchen und sehen, ob wir es mit der Anlage, die wir entwickelt haben, nutzen können."
Die Technologie ist etwa auch für eine weitere Kanareninsel interessant: La Palma. Der jüngste Vulkanausbruch dort ist keine zwei Jahre her. Unter mancher provisorischen Straße war es zum Beispiel Ende November in nur wenigen Metern Tiefe noch 700 Grad heiß.