Machtkampf im Vatikan Front gegen Franziskus
Einen Monat nach dem Tod von Benedikt XVI. wird der Machtkampf im Vatikan immer deutlicher. Dabei geht es nicht nur um das Erbe des verstorbenen Papstes, sondern um den künftigen Kurs der Kirche.
Mit "Demos", dem griechischen Wort für "Volk", ist jenes ominöse Papier unterschrieben, das bereits seit knapp einem Jahr unter den Kardinälen in Rom kursiert. Es ist ein Frontalangriff auf Papst Franziskus.
Eine "Katastrophe", ein "Desaster" sei dessen Amtszeit für die katholische Kirche. Und das müsse sich - wenn denn ein Nachfolger des Argentiniers auf den Papstthron gewählt wird - dringend ändern.
"Demos", der Autor des Papiers, war lange anonym. Nun aber ist klar: Es war der australische Kardinal und frühere Berater von Franziskus, George Pell. Er starb wenige Tage nach Benedikt XVI..
Familientreffen der "Bewahrer"
Pells Begräbnis war eine Art Familientreffen der konservativen "Bewahrer" im Vatikan. Dabei waren die Kardinäle Gerhard Ludwig Müller, Raymond Leo Burke sowie der langjährige Privatsekretär von Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein.
Vor allem Letzterer hatte noch vor der Beerdigung des emeritieren Papstes mit Kritik an Franziskus die Schlagzeilen bestimmt. Der Grund waren in erster Linie Auszüge aus seinem eine Woche nach den Trauerfeierlichkeiten für Papst Benedikt veröffentlichten Buch "Nichts als die Wahrheit".
Seit Franziskus ihn zu sich zitierte, schweigt er öffentlich. Auf Interview-Anfragen von report München antwortet Gänswein, dass er diesen nicht nachkommen könne - mit der Bitte um Verständnis.
Die Rolle von Papst Benedikt
Inwieweit Benedikt selbst oder erst Gänswein die Kritik am Nachfolger formulierte, ist unklar. Offiziell gab sich der emeritierte Papst gegenüber seinem Nachfolger loyal. Beobachter glauben gar, dass die Anwesenheit Benedikts eine disziplinierende Wirkung auf die Konservativen hatte. Diese sei nun weggefallen.
Wer rund um den Vatikan die zunehmend lauter werdenden Stimmen jener Kräfte hören will, die kritisch zur Amtsführung des amtierenden Papstes stehen, muss sich in die ehemalige Wohnung von Joseph Ratzinger begeben.
"Der Herr im Boot schläft"
Dort residiert heute der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Als Präfekt der Glaubenskongregation holte ihn Benedikt nach Rom. Nach dessen Rücktritt als Papst schickte Franziskus den Kardinal nach nur fünf Jahren Amtszeit in den Ruhestand.
Müller spricht von der Kirche, dem "Schifflein Petri", das gerade ziemlich hin und her bewegt werde. "Es scheint, dass der Herr im Boot schläft", so habe das auch Ratzinger gesagt. Franziskus habe einen Freundeskreis um sich, der alles abnicke, kritisiert Müller. Daher komme es zu fatalen Entscheidungen. Spezialisten aus dem Kreis der Kardinäle etwa, die eigentlich die Berater des Papstes sein müssten, würden nicht gehört.
Angst vor Reformen
Der deutsche Kardinal ist nicht der einzige Kritiker von Franziskus. Viele Konservative fürchten, dass der Argentinier nun nach dem Tod seines Vorgängers bei Reformen aufs Gaspedal tritt. Dabei werden deutsche Reformforderungen wie die Heirat von Priestern, die Weihe von Frauen oder die Segnung von homosexuellen Paaren als Schreckgespenst an die Wand gemalt.
Gleichzeitig starben mit Benedikt XVI. und dem australischen Kardinal Pell wichtige Vertreter der bewahrenden Kräfte: Benedikt XVI. war vor allem eine Symbolfigur, Pell ein wichtiger Strippenzieher, gerade mit Blick auf die nächste Papstwahl.
Vatikan-Beobachter wie Iacopo Scaramuzzi von der italienischen Zeitung "La Repubblica" sprechen von einer gewissen Orientierungslosigkeit, die in dem Lager der Bewahrer nun herrsche. Sie müssten sich nun neu organisieren.
Gefahr der Kirchenspaltung
Von "Hitzköpfen" spricht der Franziskus nahestehende deutsche Kardinal Walter Kasper im Interview mit report München. Den Papst zu bekämpfen sei das Dümmste, was man machen könne. Aber Kasper konstatiert auch immer größer werdende Spannungen, redet gar von der Gefahr einer Spaltung der Kirche. Der Papst müsse daher versuchen, die Kluft nicht zu groß werden zu lassen, solle sie mit Kompromissen verkleinern.
Dass Franziskus nun nach dem Tod Benedikts den Reformturbo einschaltet, halten viele Beobachter deshalb für unwahrscheinlich. Der vom Papst angestoßene weltweite synodale Prozess soll zwar Diskussionen in Gang bringen, nicht aber die Spaltung zwischen Erneuerern und Bewahrern weiter vertiefen. Auch deshalb wird der deutsche Synodale Weg vom Pontifex kritisch betrachtet.
Immerhin nimmt Franziskus die Kritik an seiner Person so ernst, dass er erst vergangene Woche darauf in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP zu sprechen kam. Die Kritik sei lästig wie ein Ausschlag, sagte er. Und: Er ziehe zwar offene Kritik der Ruhe vor. Er bitte die Kritiker jedoch, "dass sie es mir ins Gesicht sagen, denn so wachsen wir alle".