Sizilianer füllen an einem öffentlichen Brunnen ihre Wasserkanister auf.
reportage

Dürre auf Sizilien Hotelpools gefüllt - Insulaner verärgert

Stand: 07.08.2024 12:42 Uhr

Sizilien steht eine extreme Dürreperiode durch: Bauern bringen ihr Vieh zu Notschlachtungen, Bewohner stehen mit Eimern Schlange vor öffentlichen Brunnen. Der Notstand hat vor allem menschliche Ursachen.

Luca Cammarata treibt seine Ziegen in den Melkstand. Etwa 300 Tiere hat der Bauer - noch. Denn 26 Ziegen hat er in der vergangenen Woche zum Schlachthaus bringen lassen. Das Wasser ist rationiert, er muss seine Herde verkleinern, weil es nicht für alle reicht.

Die Milchproduktion seiner Tiere sei nur noch halb so hoch wie gewöhnlich, sagt Cammarata: "Aber das Problem ist nicht die Produktion. Das Problem ist, die Tiere am Leben zu erhalten."

Andreas Marx, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, zur Trockenheit in Italien

tagesschau24, 07.08.2024 15:00 Uhr

Heißes Sahara-Klima

Die Bauern auf Sizilien wissen eigentlich, wie man Nutztiere gut durch einen heißen Sommer bringt: Camarata hat Auffangbecken für das Regenwasser angelegt. Doch alle Becken sind staubtrocken. Das gab es noch nie, sagt er - seit eineinhalb Jahren keine längere Regenperiode.

Das italienische Klimaforschungs-Institut CNR hat errechnet: Auf mehr als 70 Prozent der Fläche Siziliens herrscht derzeit extreme Trockenheit. Grund sei der Klimawandel, sagt Antonello Pasini.

Früher sei das Azoren-Hoch gewissermaßen ein Schutz gewesen für Sizilien - vor der heißen Luft aus der Sahara. Das hat sich verschoben: Heute ist das deutlich heißere Sahara-Klima immer bestimmender für Sizilien.

"Wir sehen etwas früher als erwartet das, was die nächsten Jahrzehnte auf uns zukommt", sagt Pasini.

Luca Cammarata zeigt auf seine Schafherde, die auf dem Grund eines trocken gefallenen Sees steht.

Luca Cammarata zeigt auf seine Herde, die auf dem Grund eines trocken gefallenen Sees steht. "Ein Desaster", sagt er.

"Wasser ist ein Grund-Gut"

Die Hitze und der ausbleibende Regen sind aber nur ein Teil des Problems. Mehr als die Hälfte des aufgefangenen Wassers geht nach offiziellen Schätzungen aufgrund maroder Leitungen verloren.

In Agrigent, das bei Urlaubern wegen des berühmten "Tals der Tempel" beliebt ist, regt sich Protest. Das Leitungswasser von Agrigent ist streng rationiert. In den Hotels ist dies bislang kaum spürbar, der Tourismus soll nicht leiden. Aber die Anwohner bekommen mitunter wochenlang kein Wasser zugeteilt.

Der Fanaco-See, der unter anderem Agrigent mit Wasser versorgt, ist deutlich kleiner geworden.

Der Fanaco-See, der unter anderem Agrigent mit Wasser versorgt, ist deutlich kleiner geworden.

Sie versuchen, das Wasser in Tanks zu horten. Bei Emanuela Fragapane ist seit zwei Wochen das Wasser aufgebraucht. Die 45-Jährige, ihr Mann und ihr Sohn leben nun ohne fließend Wasser, ohne Waschmaschine, Spülmaschine, Dusche. Jeden Liter trägt sie mit Kanistern in ihre Wohnung in den vierten Stock.

"Ich bin jetzt völlig durchgeschwitzt, kann ich duschen? Nein!", sagt sie. "Ich kann mich von der Sonne trocken lassen. Wasser ist ein Grund-Gut. Ist ein Recht, eine Würde."

Ein Schwimmbecken in einem Hotel im Ort Porto Empedocle.

Die Hotelpools auf Sizilien sind weiterhin gut gefüllt. Viele Insulaner beschweren sich, dass reiche Gegenden häufiger mit dem Wassertank beliefert werden.

"Hoffen wir, dass die Krise hilft"

Die Bewohner beklagen das Versagen der Politik und die Ungleichbehandlung: In der akuten Krise würden reichere Ortsteile öfter von Tankwagen versorgt werden als ärmere Ortsteile, sagen sie. Viele befürchten, dass die Mafia längst kräftig am sogenannten Blauen Gold, am Wasser, mitverdient.

Der Präfekt von Agrigent, Filippo Romano, räumt ein, dass das sich anbahnende Problem der Wasserknappheit unterschätzt wurde: "Der Zyklus der Politik ist oft bestimmt von den akuten Dringlichkeiten. Das ist ein strukturelles Problem. Hoffen wir, dass diese Krise uns hier weiterhilft."

Ziegenbauer Luca Cammarata nennt die Situation "ein Desaster". Ein Drittel der Fläche Siziliens könnte bis zum Jahr 2030 von Desertifikation betroffen sein. Aufgeben will er aber nicht, sondern ein weiteres Auffangbecken graben. Für den nächsten großen Regen - wenn der denn irgendwann kommt.

Rüdiger Kronthaler, ARD Rom, tagesschau, 07.08.2024 09:50 Uhr