Parlamentspräsidentin Metsola kündigt die Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Selenskyj an.

EU-Parlamentspräsidentin Metsola fordert von Deutschland "Taurus"-Lieferung

Stand: 23.11.2024 15:17 Uhr

EU-Parlamentspräsidentin Metsola hat Deutschland dazu gedrängt, endlich "Taurus"-Marschflugkörper für die Ukraine freizugeben. Dafür gebe es im EU-Parlament eine breite Unterstützung. Die Ukraine könne nicht ewig weiter warten.

Angesichts der verstärkten Angriffe Russlands auf die Ukraine fordert EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die rasche Lieferung von deutschen "Taurus"-Marschflugkörpern.

Auf die Frage, ob nach den USA auch die EU-Staaten den Einsatz weitreichender Raketen auch gegen Ziele in Russland erlauben sollten und Deutschland das Waffensystem "Taurus" liefern müsste, antwortete Metsola den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Ja, das ist auch die Position des EU-Parlaments. Es gibt breite Unterstützung für diese Forderung."

Metsola: Jeden Tag sterben Menschen

"Wir werden sehen, ob es nach der Bundestagswahl zu einer entsprechenden Kursänderung kommt", fuhr Metsola fort. "Oder vielleicht schon vorher, es gibt ja auch in der Berliner Koalition unterschiedliche Positionen zur "Taurus"-Lieferung."

Die Politikerin der christdemokratischen EVP-Fraktion verwies darauf, dass die Zeit dränge. Die Ukraine könne nicht ewig weiter warten, weil immer gerade Wahlen in einem westlichen Land stattfinden, während in der Ukraine jeden Tag Menschen im Krieg sterben, sagte Metsola.

Kanzler Scholz beharrt auf seinem Nein

Seit die USA der Regierung in Kiew am vergangenen Wochenende erlaubt hatten, US-Raketen vom Typ ATACMS gegen Ziele in Russland einzusetzen, flammt die Debatte über weitreichende Waffensysteme wieder auf. Die "Taurus"-Marschflugkörper haben mit 500 Kilometern eine noch größere Reichweite als die ATACMS.

Kanzler Olaf Scholz lehnt eine Lieferung seit Langem ab. Er fürchtet, dass Deutschland dadurch direkt in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen werden könnte. Auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro machte er seine Absage erneut deutlich. "Das ist aber etwas, was ich nicht verantworten kann und auch nicht will", sagte der SPD-Politiker am Montag.

Grüne und FDP sind für eine Lieferung

Allerdings wächst auf ihn innenpolitisch der Druck, nachdem das Regierungsbündnis von SPD, Grünen und FDP gescheitert ist. Die Grünen sind als verbliebener Koalitionspartner der SPD ebenso für eine Lieferung wie die Oppositionsparteien Union und FDP. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hat bereits angekündigt, dass er im Fall einer Wahl zum Regierungschef sofort "Taurus" an die Ukraine liefern würde. 

Die FDP zieht nach ihrem Abgang aus der Bundesregierung in Erwägung, eine Abstimmung im Bundestag herbeizuführen. Zusammen mit den Grünen und der Union gäbe es rechnerisch eine Mehrheit. Selbst ein Bundestagsbeschluss würde aber nichts ändern. Die Entscheidung über die Lieferung von "Taurus" liegt bei der Bundesregierung und damit letztlich bei Scholz, der die Richtlinienkompetenz hat. 

Was für ein Waffensystem ist der Marschflugkörper "Taurus"?
Der Marschflugkörper vom Typ "Taurus" ist rund fünf Meter lang und wiegt fast 1.400 Kilogramm. Er ist mit einem eigenen Triebwerk und mehreren Navigationssystemen ausgestattet, die einen autonomen Tiefflug durch gegnerisches Gebiet ermöglichen. Das bedeutet, die Marschflugkörper können im Krieg aus sicherer Entfernung von Kampfflugzeugen abgefeuert werden und Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung treffen und zerstören.

Da die Marschflugkörper besonders tief fliegen und relativ klein sind, können sie von der gegnerischen Flugabwehr nur schwer getroffen werden. Die Bundeswehr hat das Waffensystem "Taurus" seit 2005. Es kann mit den Kampfflugzeugen "Tornado" und "Eurofighter" zum Einsatz gebracht werden. Hersteller ist eine Tochterfirma des Rüstungskonzerns MBDA.

Der Marschflugkörper "Taurus" ist das deutsch-schwedische Gegenstück zu den parallel entwickelten britisch-französischen Marschflugkörpern "Storm Shadow" und "Scalp".

Putin droht mit neuer Mittelstreckenrakete

Russlands Regierung wertet die US-Freigabe für die ATACMS und andere westliche Fernwaffen als "gefährliche Eskalation". Der Kreml setzt offenbar bewusst auf Abschreckung mit einer neuen ballistischen Mittelstreckenrakete. Am Donnerstag beschoss Russland die ukrainische Millionenstadt Dnipro mit einer "Oreschnik"-Rakete. Kremlchef Wladimir Putin zeigte sich zufrieden mit dem Einsatz der Waffe und kündigte eine Serienproduktion an.

Moskau werde die Erprobung der Rakete dabei weiter fortsetzen, auch im Kampfeinsatz, betonte er. Den Beschuss von Dnipro mit der Rakete bezeichnete er als gelungenen Test. Moskau zufolge soll die Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen und unerreichbar für Flugabwehrsysteme sein. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig bestätigen. Experten gehen davon aus, dass die Rakete technisch gesehen auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnte. 

Insider: Ukraine muss in Kursk zurückweichen

Die Ukraine benötigt Waffensysteme wie ATACMS oder "Taurus" vor allem gegen russische und nordkoreanische Truppen, um die ukrainischen Streitkräfte in der westrussischen Region Kursk zu unterstützen. Ukrainische Truppen halten dort seit ihrem überraschenden Vorstoß über die Grenze im August Gebiete.

Nun zeichnet sich eine Gegenoffensive Moskaus ab. Ein Mitglied des ukrainischen Generalstabes räumte gegenüber Reuters ein, dass die Ukraine mehr als 40 Prozent der ursprünglich eroberten russischen Gebiete wieder geräumt habe. "Wir kontrollierten anfangs 1376 Quadratkilometer, jetzt ist dieses Gebiet natürlich kleiner. Der Feind verstärkt seine Gegenangriffe", sagte der Militär. "Jetzt kontrollieren wir etwa 800 Quadratkilometer. Wir werden dieses Gebiet so lange halten, wie es militärisch sinnvoll ist."

Mit dem Vorstoß wollte die Regierung in Kiew die russischen Angriffe in der Ost- und Nordostukraine aufhalten. Russland sollte gezwungen werden, seine im Osten der Ukraine vorrückenden Truppen zurückzuziehen. Die langsam dort vorstoßende russische Offensive konnte jedoch bislang nicht gestoppt werden.

Karte der Ukraine und Russlands, hell schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. November 2024 um 15:28 Uhr.