Freiwillige versorgen Soldaten Nachschub für Mariupol
Sie nähen Schutzwesten, besorgen Fahrzeuge, sammeln Lebensmittel und Verbandsmaterial. Freiwilligen-Initiativen aus Lwiw und anderen ukrainischen Städten versuchen, die Soldaten an der Front zu unterstützen.
In der Schneiderwerkstatt eines ukrainischen Modedesigners rattern die Nähmaschinen. Wo sonst Abendkleider angefertigt werden, entstehen jetzt Tarnanzüge und Schutzwesten für Soldaten. Die Produktion läuft auf Hochtouren, wie auf Filmmaterial der Nachrichtenagentur Reuters zu sehen ist.
Auch in der Nähe von Mariupol werden in einer kleinen Fabrik Splitterschutzwesten für die ukrainischen Soldaten gefertigt.
"Die Metallplatten, die wir hier herstellen, sind acht bis neun Millimeter dick", sagt ein 28-jähriger Schweißer einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters. "Die sind stark genug, um Gewehrkugeln abzuhalten. Wir haben das ausprobiert."
Früher Freizeitartikel, jetzt Schusswesten
Die Metallplatten werden in die Westen eingenäht. "Wir sind jetzt Militär-Versorger", lacht eine der Schneiderinnen. "Früher haben wir Freizeitartikel hergestellt. Und jetzt? Schusswesten."
"Seit Beginn des Krieges vor 25 Tagen haben wir Hunderte Leute organisiert, die uns helfen", sagt einer der Freiwilligen. "Wir nähen Schusswesten, wir schweißen Panzersperren und füllen Sandsäcke, um Barrikaden zum Schutz unserer Stadt zu bauen." Man wolle ein Vorbild für die ganze Ukraine sein.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Geländewagen, Allrad-SUVs und andere Fahrzeuge
In Lwiw, im Westen der Ukraine, kümmert sich Oleg, der früher in der Bauindustrie gearbeitet hat, um geeignete Fahrzeuge für die Soldaten an der Front. In Polen und anderen Ländern kauft er mit seinen Freunden gebrauchte Geländewagen, Allrad-SUVs und andere Fahrzeuge, um die kämpfende Truppe damit auszustatten.
"Wir bringen all diese Fahrzeuge direkt zur Front, denn wir wissen, dass die Ausstattung unserer Streitkräfte sehr schlecht ist", sagt Oleg. "Die haben noch Fahrzeuge aus der Sowjetzeit. Wir tun, was wir können, um unsere Soldaten zu unterstützen."
Bevor es losgeht, werden die Fahrzeuge beladen, mit den neuen Schusswesten und anderen gesammelten Kleidungsstücken für die Soldaten - warme Jacken, Schuhe, außerdem Lebensmittel, Protein-Riegel und Verbandszeug. Dann geht es los Richtung Mariupol.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Mariupol praktisch eingekesselt
Dimitri, einer der freiwilligen Helfer, ist gerade von dort gekommen. "In der ganzen Umgebung von Mariupol wird schwer gekämpft", berichtet er. Mariupol sei praktisch von den russischen Streitkräften eingekesselt. "Frauen und Kinder sterben, weil es nichts mehr zu essen und zu trinken gibt. Sie lassen keinen Nachschub hinein und raus kommt auch kaum jemand. Die benutzen die Zivilisten als Schutzschilde, damit unsere Leute sie nicht angreifen."
Die Auslieferung der Fahrzeuge ist aufwendig und gefährlich. "Manchmal müssen wir drei bis vier Tage auf eine Gelegenheit warten, um durchzukommen", sagt Dimitri. "Die Fahrzeuge kommen unter Beschuss, sie erschießen die Fahrer und behalten die Autos für sich selbst."
Neuer Versuch, Menschen in Sicherheit zu bringen
Für heute wurde ein neuer Versuch angekündigt, die Bewohner der Region Mariupol über sichere Korridore in Sicherheit zu bringen. Die stellvertretende ukrainische Premierministerin Iryna Wereschtschuk listete eine Reihe von Treffpunkten auf, von denen aus Busse Richtung Saporischschja abfahren sollen.
Die Stadt Mariupol selbst stand nicht auf der Liste. Die Hafenstadt im Südosten der Ukraine mit einst 400.000 Einwohnern liegt mittlerweile weitgehend in Trümmern. Die Lebensbedingungen für die verbliebenen Menschen in der Stadt wird als katastrophal beschrieben.