Großbritannien Wer sind die Gewinner und Verlierer der Nachwahlen?
Die Nachwahlen zeigen ein Stimmungsbild zur britischen Regierung: Für die Tories fiel das Ergebnis nicht so schlecht aus wie erwartet. Labour konnte teils abräumen - und auch die LibDems stellten sich als wichtige Kraft heraus.
Nach diesem Wahltag ist für jeden was dabei. Zum Beispiel für die Liberaldemokraten: Die Kandidatin Sarah Dyke hat im Wahlkreis Somerton und Frome die Konservativen geschlagen. Das sei ein fantastisches Ergebnis, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Daisy Cooper in der BBC.
Im Norden Englands konnte Labour abräumen. Rückenwind für eine Partei, die 2024 den Premier stellen möchte und endlich die Zeit in der Opposition beenden will. Labour kann wieder gewinnen, sagte der 25-jährige Sieger in Selby und Ainsty, Keir Mather, als die Ergebnisse feststanden.
Keir Mather, Sieger der Nachwahlen und Kandidat der Labour Party, spricht im Selby Leisure Centre nachdem die Ergebnisse der Nachwahlen in Selby und Ainsty bekannt gegeben wurden.
Erleichterung bei den Konservativen
Und selbst die Konservativen - auch Tories genannt - sind irgendwie erleichtert, die Klatsche fiel nicht ganz so schlimm aus. Immerhin konnten sie den Wahlkreis im Westen Londons, wo Boris Johnson zurückgetreten war, halten. Mit einer Mehrheit von gerade einmal 495 - aber immerhin.
Niemand habe erwartet, dass die Konservativen hier gewinnen könnten, sagte Premier Rishi Sunak: "Wenn es darauf ankommt, wenn es ein wichtiges Thema gibt, wählen die Menschen konservativ."
Und dieses Thema war ganz offensichtlich die Ausweitung der Umweltzone für Autofahrer. Viele Autofahrer in Uxbridge befürchten höhere Kosten und Fahrverbote. Die Schuld dafür geben sie dem Londoner Bürgermeister Sadiq Kahn von der Labour-Partei. Ironie der Geschichte: Es war Boris Johnson, der als Bürgermeister von London die Umweltzone einst eingeführt hatte.
LibDems als wichtige Kraft
Und die Lehren aus der Wahl? Sehr unterschiedlich: Die Liberaldemokraten sind eine wichtige Kraft im Vereinigten Königreich. In vielen ländlichen Bezirken, in denen Labour einfach nicht Fuß fassen kann, heißt die natürliche Opposition LibDems. 2024 könnte es sogar eine Koalition zwischen Labour und den LibDems geben, wenn Labour eben keine eigene Mehrheit zustande bringen sollte.
Inhaltlich sind die Liberaldemokraten mittlerweile weiter entfernt von den Konservativen als Labour. Die LibDems forderten sehr früh eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne, um die Preisanstiege für die Bürgerinnen und Bürger abzumildern. Die Partei ist europafreundlich, will engere Beziehungen zur Europäischen Union und steht für viele Britinnen und Briten unter "Verdacht", einen Wiedereintritt zu forcieren, was die Partei so nicht vertritt.
Weckruf für Labour
Für Labour ist das Wahlergebnis ein Weckruf: Allein auf die Skandale und die Fehler der Konservativen zu setzen, reicht nicht. Es fehlt die Vision, der Unterschied zu den Tories. In vielen politischen Zielen klingen die Politiker von Labour wie die Konservativen: Parteichef Keir Starmer wehrt Bestrebungen, nach den Wahlen 2024 das sozialpolitische Füllhorn auszuschütten - mit dem Hinweis auf eine strenge Fiskalpolitik - eine Absage.
Der Brexit gilt als gesetzt, wird nicht infrage gestellt, obwohl zahlreiche Auswirkungen, mit denen Labour sich als Regierungspartei auseinandersetzen müsste, die Wirtschaft belasten.
Genervt von Skandalen der Tories
Die Tories können aufatmen. Die hässliche Debatte um die Parteiführung, gar panische Reaktionen, um doch noch zu retten, was zu retten ist - diese Debatte könnte den Konservativen und Rishi Sunak erspart bleiben. Doch die Aussichten bleiben düster: Die Wählerinnen und Wähler wünschen sich einen Regierungswechsel, sie sind genervt von den moralischen Verfehlungen, Lügen und Skandalen der Tories. Die Zustimmungswerte für Sunak sind schlecht.
Dazu kommen zahlreiche Baustellen: Die Inflation ist zwar zuletzt gefallen, doch die Verbraucher- und Energiepreise bleiben auf einem hohen Niveau. Die Wartezeiten im Gesundheitsdienst NHS sollen sinken, so hat es der Premier in Aussicht gestellt, sie werden jedoch immer länger. Um die Versprechen einzulösen, die Sunak so oft wiederholt, bleibt ihm nicht mehr viel Zeit.