Emblem der Operation "Resolute Support" in Afghanistan, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt
Interview

Interview zu Afghanistan-Abzug "Auf die Hilfe der USA angewiesen"

Stand: 23.03.2021 15:42 Uhr

Noch ist offen, ob und wann die USA aus Afghanistan abziehen - auch die Bundeswehr müsste dann gehen. Der Soldat Naef Adebahr, der schon mehrmals in Afghanistan war, erklärt, warum ihn ein schneller Abzug enttäuschen würde.

ARD: Wie blicken Sie auf die Entscheidung über einen Abzug aus Afghanistan?

Naef Adebahr: Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage. Natürlich schaue ich durch die Brille eines Verwundeten. Durch die Brille eines Soldaten, der Kameraden und Freunde verloren hat. Ich selber wurde im sogenannten Karfreitagsgefecht verletzt. Einige meiner Kameraden haben irreparable Schäden. Ich kann nicht sagen, ob sich die Sicherheitslage tatsächlich verschlechtert hat. Was ich höre: Ja, das ist so. Aber es hat sich ja schon einiges getan in Afghanistan. Ob das jetzt Frauenrechte sind, ob das Schulbildung ist, ob das grundsätzlich ein politisches System oder Strukturen sind, die dort aufgebaut wurden.

ARD: Wären Sie enttäuscht darüber, dass alles wieder in Gefahr ist, wenn man jetzt abzieht?

Adebahr: Ich persönlich als Naef Adebahr, nicht als Soldat: Ja, natürlich wäre ich enttäuscht, wenn das, was wir dort erreicht haben, wenn diese positiven Dinge einfach wieder zurückgesetzt würden.

Verbleib wäre "nicht verantwortungsvoll"

ARD: Wieso müsste man mit abziehen, wenn die USA gehen?

Adebahr: Man ist einfach auf die Hilfe der US-Amerikaner angewiesen. Wenn die nicht mehr im Einsatzland sind, dann haben wir nicht die Möglichkeiten, wie wir sie mit ihnen zusammen haben. Es wäre nicht verantwortungsvoll, zu bleiben, wenn sie tatsächlich abziehen.

ARD: Wäre ein Abzug bis Mai überstürzt und in Ihrem Sinn unverantwortlich?

Adebahr: Schnelle Antwort: Ja.

"Wir werden von der Politik reingeschickt"

ARD: Jetzt, wo Sie das Land ein bisschen kennen: Woran liegt es, dass die Veränderungen nicht tiefere Wurzeln geschlagen haben und wohl nicht von Bestand wären, wenn die Truppen abziehen würden?

Adebahr: Das sind politische Entwicklungen, die meinen Horizont leider übersteigen. Wir sind ja Soldaten und es gibt ein ordentliches Mandat. Wir werden von der Politik dort reingeschickt. Natürlich mache ich mir als Privatperson darüber Gedanken. Das zu beurteilen, steht mir schlussendlich nicht zu.

ARD: Jetzt kehren Sie noch einmal zurück. Warum?

Adebahr: Mittlerweile bin ich Truppenpsychologiefeldwebel. Ich unterstütze eine Psychologin. So habe ich die Möglichkeit, andere Soldaten zu unterstützen - vor allem mit den Erfahrungen, die ich im ersten Einsatz gemacht habe.

ARD: Das könnten Sie hier auch machen…

Adebahr: Hier reagiere ich. Dort im Einsatz kann ich schon agieren. Ich kann vielleicht in einigen Situationen ein bisschen Druck rausnehmen oder sie anders einschätzen, da ich schon in Gefechten gewesen bin. Das tut den Soldaten gut. Ich kann da sein, wenn etwas passiert und den Soldaten eine Stütze sein.

Das Interview führten Markus Preiß und Merle Tilk, ARD-Studio Brüssel.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. März 2021 um 05:45 Uhr.