Verhandlungen in Österreich Was FPÖ und ÖVP eint - und entzweit
Im Wahlkampf teilten FPÖ und ÖVP noch kräftig gegeneinander aus. Der Ton war scharf, die Vorwürfe immens. Eine Koalition wurde ausgeschlossen - und doch starten genau dafür jetzt die Verhandlungen. Kann das gutgehen?
Die ÖVP hatte im Wahlkampf immer wieder betont: Es wird keine Koalition mit der Kickl-FPÖ geben. Doch nachdem die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS gescheitert sind, soll es nun Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ geben. Denn die Parteien sind sich nicht in allen Punkten fremd - auch wenn es in der Hitze des Wahlkampfs oft den Anschein erweckte.
Im Wahlkampf wurden so einige Unfreundlichkeiten ausgetauscht. Der Chef der FPÖ, Herbert Kickl, setzte auf eine Spaltung der Gesellschaft und bezeichnete die konservative ÖVP immer wieder als "das System", das das Volk gängeln würde. Und er würde die ÖVP aus den Regierungsämtern hinaustreiben.
"Und dann verliert die ÖVP das Bundeskanzleramt. Dann müssen die über 110 PR-Berater die Koffer packen, die jetzt nichts aus dem Nehammer gemacht haben. Dann verlieren sie das Finanzministerium, dann verlieren sie vielleicht das Innenministerium und damit verlieren sie ja die Möglichkeiten, euch alle irgendwie in Abhängigkeit zu halten, euch alle unter Kontrolle zu halten", wetterte Kickl.
ÖVP-Verhandlungsführer teilt gegen FPÖ aus
Die ÖVP bezeichnete Kickl als Rechtsextremisten, Verschwörungsanhänger und Sicherheitsrisiko für Österreich. Der neue geschäftsführende ÖVP-Chef, Christian Stocker, im Wahlkampf noch ÖVP-Generalsekretär, hatte im Parlament besonders scharf gegen Kickl geschossen: "Es ist nicht nur so, dass Sie in diesem Haus niemand will. Es ist auch so, dass Sie in dieser Republik niemand braucht."
Nun sieht die Sache allerdings anders aus. Stocker soll die Verhandlungen mit Kickl für die ÖVP führen. Und da geht Stocker davon aus, dass beide Seiten über all das, was im Wahlkampf gesagt wurde, hinwegsehen werden. "Das wird jetzt manche von ihnen vielleicht überraschen, weil sie meine Worte zu Herbert Kickl noch im Ohr haben. Das waren kritische Worte und teilweise auch sehr harte Worte", sagte Stocker. Aber für ihn gehe es darum, dass das Land gerade eine stabile Regierung benötige und keine Zeit mehr in Wahlen und Wahlkämpfen verloren werden solle.
Christian Stocker soll für die ÖVP die Verhandlungen führen.
FPÖ und ÖVP sind sich bei Finanzpolitik näher
Viele Politikbeobachter in Österreich gehen nun davon aus, dass es FPÖ und ÖVP in den Verhandlungen deutlich leichter miteinander haben werden als ÖVP, SPÖ und NEOS in den Verhandlungen der letzten drei Monate. Denn bei der Finanzpolitik, an der der erste Koalitionsversuch zerbrach, liegen ÖVP und FPÖ deutlich näher zusammen.
Beide Parteien sind wirtschaftsliberal und wollen Großunternehmer und Eigentümer nicht zusätzlich belasten. ÖVP und FPÖ wollen die Klimapolitik zurückfahren und beim Thema Asyl und Migration gibt es auch Gemeinsamkeiten. Da wollen beide eine restriktive Politik - wobei sich die FPÖ deutlich radikaler ausdrückt.
Kickl mit rechtsextremen Parolen
FPÖ-Chef Kickl gefällt sich darin, mit den Parolen der rechtsextremen Identitären Bewegung zu provozieren: "Die Freiheitliche Partei ist die einzige Partei, die für einen Stopp der Völkerwanderung ist, für Remigration. Ich trau mich das auszusprechen, ja selbstverständlich."
Kickl nennt auch immer wieder einen anderen Begriff der Identitären Bewegung: "Festung Österreich". Der Verhandlungsführer der ÖVP, Christian Stocker, betonte im Parlament, dass er mit den Parolen der FPÖ nichts anfangen kann. Aber auch seine Partei würde einiges gegen illegale Migration tun, so Stocker. "Ganz ohne Festungen, ohne mittelalterliche Wehranlagen, sondern durch Kooperationen auf europäischer Ebene." Stocker will darin eine "Vorreiterrolle in Europa" einnehmen.
Unterschiede bei der Außenpolitik
Die größten Unterschiede dürfte es bei der Außenpolitik geben. Die FPÖ zeigte immer wieder Russlandnähe. Kickl fordert ein Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine und zeigt sich EU-skeptisch. "Wir sind die einzige Partei für ein Österreich, das stark ist, das selbstbewusst ist, das mutig ist und sich für seine eigenen Interessen einsetzt." Österreich solle sich nicht von der Europäischen Union "unterjochen" lassen, betonte Kickl.
Die ÖVP hingegen ist eine EU-freundliche Partei. Im EU-Parlament ist sie in der konservativen EVP-Fraktion mit der CDU. Gernot Bauer, Innenpolitikredakteur beim österreichischen Nachrichtenmagazin Profil, glaubt deshalb, dass die ÖVP versuchen würde, das Außenministerium zu übernehmen.
Scheitern die Verhandlungen an EU-Agenden?
"Ich glaube, dass die ÖVP in einem ersten Schritt auch darauf bestehen wird, die EU-Agenden, die jetzt im Kanzleramt sind, wieder ins Außenministerium zu überführen, damit man da einen Gegensatz zu Herbert Kickl bilden kann." Bauer will nicht ausschließen, dass die Verhandlungen daran scheitern könnten.
Generell dürfte die ÖVP versuchen, die Radikalität der FPÖ so weit es geht einzudämmen. Doch wie gut das gelingen wird, ist noch völlig offen.