Österreich nach der Wahl Jetzt kommt es auf den Präsidenten an
Die Regierungsbildung in Österreich dürfte schwierig werden. Nun rückt Bundespräsident Van der Bellen in den Fokus. Er ist mächtiger als sein deutsches Pendant. Wer Kanzler werden will, kommt an ihm nicht vorbei.
Jetzt müssten sie miteinander reden, wie es weitergehe mit Österreich, sagte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen noch am Wahlabend - wie immer in seiner gewohnt ruhigen Art. Obwohl es historischen Klärungsbedarf in der Alpenrepublik gibt: "Wer mit wem kann, und wer was will für Österreich, das wird nun die nächste Zeit zeigen."
Mit einem Auftrag an eine der Parteien zur Regierungsbildung hält sich Van der Bellen noch zurück. Die Mehrheit der Wähler erwartet - laut Umfrage vor der Wahl - dass die stärkste Partei diesen Auftrag bekommt. Das wäre nun eindeutig die rechte FPÖ, die zum ersten Mal mit knapp 29 Prozent der Stimmen die Nummer eins im Nationalrat ist, dem österreichischen Parlament.
Aber so einfach ist das nicht. Alle anderen gewählten Parteien sagen: nicht mit Kickl, dem Chef der FPÖ. Diese auch demokratisch schwierige Gemengelage nutzt Van der Bellen für eine kleine Lektion in Staatsbürgerkunde: "Eine Regierungsbildung kann man, wenn man will, mit einem Hochsprung vergleichen. Die Latte liegt bei 50 Prozent Mandatsmehrheit im Parlament." Er betont: "Nicht 40, nicht zehn, nicht 49,5 sondern 50 Prozent." Nur wer es schaffe "genügend Unterstützung zu bekommen, und da drüber zu kommen, kann regieren".
Ergebnis verdauen, aber dann bitte weitermachen
Das heißt: Keine der gewählten Parteien kann ohne Koalitionspartner regieren. Dafür reichen auch die knapp 30 Prozent der FPÖ nicht. Van der Bellen rechnet mit langen Sondierungsgesprächen, was aber "gut investierte Zeit" sei, so der Präsident. Die Botschaft: Der Wahlkampf ist vorbei, gerne dürfen die Parteien das Ergebnis verdauen, die ÖVP ihre historische Talfahrt, die SPÖ ihren historischen Tiefpunkt. Aber dann bitte weitermachen, wenn's geht konstruktiv. Für Van der Bellen heißt das: "Andere überzeugen, potenzielle andere Regierungspartner und -partnerinnen, genauso wie den Bundespräsidenten."
Der Präsident muss den Kandidaten akzeptieren
Der letzte Punkt ist wichtig. Es ist die größte Herausforderung in Van der Bellens letzter Amtszeit, die er aber erwartet hat - und über die er viel nachgedacht hat. Ohne ihn kann in Österreich niemand Regierungschef werden. Die Kanzlermehrheit im Parlament reicht nicht, der Bundespräsident muss den Kandidaten akzeptieren. Und der Präsident, das hat er schon öfter durchblicken lassen, hat mit dem Rechtspopulisten Herbert Kickl ein Problem.
Van der Bellen nennt den Namen nicht, zählt aber auf, worauf er achten wird - im Namen des Volkes: "Ich werde nach bestem Wissen und Gewissen darauf achten, dass bei der Regierungsbildung die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie respektiert werden." Und damit da möglichst wenig Interpretationsspielraum bleibt, zählt er einige auf: "Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft."
"Will nicht als feiger Politiker in die Geschichte eingehen"
Darunter ist einiges, was der Kandidat Kickl im Wahlkampf zumindest in Frage gestellt hat. Aber jetzt sind erstmal die Parteien am Zug. Van der Bellen wartet geduldig ab, wann sein Schlusswort - das entscheidende - gefragt ist. Er kennt auch die Erwartungshaltung seiner Wähler - der Präsident wird in Österreich direkt vom Volk gewählt. Und das nimmt er als Auftrag ernst.
Was soll über Van der Bellen nach dieser historischen Wahl in den Geschichtsbüchern stehen? Das sei er schon mal gefragt worden, von einem befreundeten Diplomaten, sagte Van der Bellen kurz nach seiner Wiederwahl. Seine Antwort damals: "Ich möchte nicht als feiger Politiker in die Geschichte eingehen." Das ist die Latte für den vermutlich letzten Hochsprung, auf den sich Österreichs Bundespräsident vorbereitet hat.