Österreichs Liberale und die FDP Mit Graswurzel-Image an die Macht
Österreichs Liberale schauen interessiert auf das Ende der Ampel in Deutschland. Denn sie könnten bald selbst einer Dreier-Koalition angehören. Was unterscheidet sie von der FDP?
Österreichs Liberale setzen auf Pink - anders als die FDP, deren Parteifarben Gelb und Magenta sind. Und das sei schon der zweite große Unterschied zwischen NEOS und FDP, sagt Beate Meinl-Reisinger, Vorsitzende der mit Abstand jüngsten österreichischen Parlamentspartei.
Meinl-Reisinger nennt die FDP "eine etablierte, alte, staatstragende Partei", das sei schon "allein vom ganzen Habitus was anderes", erklärt sie gegenüber der ARD.
Das sei ihr gleich aufgefallen, als sie vor elf Jahren das erste Mal eingeladen war, bei der deutschen Schwesterpartei in Berlin vorzusprechen. Damals war sie gerade zum ersten Mal mit der neuen Partei in den Nationalrat eingezogen, während die FDP gerade aus dem Bundestag geflogen war.
Verwurzelt in einer Bürgerbewegung ...
NEOS ist als Partei zwölf Jahre jung, frisch also, auch im Vergleich zu den anderen Parteien in Österreichs Parlament. Entstanden seien sie, so Meinl-Reisinger, aus einer "Bürgerbewegung".
Das ist ein Image, mit dem die Parteivorsitzende gerne zu punkten versucht. Mit dem sie die Partei bei der letzten Wahl auf mehr als neun Prozent gepusht hat, noch vor den Grünen. NEOS ist jetzt viertstärkste Kraft, hinter der rechtspopulistischen FPÖ, der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ.
... oder doch in etablierten Parteien?
Es ist ein Image, das Peter Filzmaier, Politikwissenschaftler an den Universitäten Graz und Krems, so aber nicht stehen lassen will:
NEOS pflegt ihr im Vergleich zur FDP jugendliches Image, doch in Wahrheit ist sie nicht aus einer Basisbewegung entstanden. Ihre wichtigsten Politiker waren nicht unerfahren, sondern früher in der oder im Umfeld der ÖVP tätig und haben sich von dieser abgewandt. Dazu kamen Reste des Liberalen Forums als Abspaltung von der FPÖ.
Schwierige Regierungsbildung
Die FPÖ firmiert in Österreich traditionell auch unter dem Etikett "die Freiheitlichen", ist aber mit ihrem Parteivorsitzenden Herbert Kickl rechtspopulistisch und in Teilen als rechtsextrem einzuordnen.
Sie war der eigentliche Wahlsieger der Parlamentswahl Ende September. Weil aber niemand mit ihrem Frontmann Kickl zusammenarbeiten will, ging der Regierungsbildungsauftrag an den ÖVP-Chef und geschäftsführenden Bundeskanzler Karl Nehammer.
ÖVP und SPÖ hätten zwar gemeinsam eine Mehrheit, es wäre aber mit nur einer Stimme die knappstmögliche. Deshalb, aber nicht nur deshalb, wird jetzt eine Dreier-Koalition verhandelt: die ÖVP mit der SPÖ und NEOS. Das heißt, die Chance für NEOS, künftig ganz Österreich mitzuregieren, ist sehr real.
Besser regieren als nicht regieren
Und das wäre auch schon die große Gemeinsamkeit, die NEOS und FDP verbindet, so Politikwissenschaftler Filzmaier: "der Wille, zu regieren und nicht etwa Oppositions- oder gar nur Protestpartei zu sein".
Das sei insofern "bemerkenswert, weil auch die Wählerschaft von NEOS das von Anfang an wollte, obwohl bei einer neuen Partei zunächst der Protestgedanke naheliegend gewesen wäre".
Das betont auch Meinl-Reisinger gern. Man habe in der Opposition zwar einiges bewegt, sagt sie, aber "da gewinnst du keinen Blumentopf", sagt sie auch.
Der Preis der Macht
Filzmaier erkennt noch eine Gemeinsamkeit, die den Liberalen hier wie dort allerdings nicht gefallen dürfte: "Regierungsbeteiligung hat NEOS wie auch gegenwärtig der FDP beim Wählerzuspruch nicht gut getan."
In Österreich sitzt und saß NEOS bereits in Landesregierungen. Zum Beispiel in Salzburg, aber dort "sind sie prompt bei der nächsten Wahl gleich ganz aus dem Landtag geflogen", so Filzmaier.
Auf Koalitionskurs: Meinl-Reisinger (r.) könnte bald mit Nehammer und Babel ein Regierungsbündnis formen.
Koalitionen von zwangsläufig kurzer Haltbarkeit?
Der Bruch der deutschen Ampel aus SPD, Grünen und FDP hat ÖVP-Chef Nehammer sichtbar Sorgenfalten auf die Stirn getrieben, als er kurz nach dem Ampel-Ende auf dem EU-Gipfel in Budapest danach gefragt wurde. Dabei seien solche Sorgen gar nicht nötig, analysiert Filzmaier.
Im langjährigen internationalen Vergleich gebe es "keinen klaren Zahlenbefund, dass Mehrparteien- Regierungen grundsätzlich kürzer halten würden als Koalitionen von nur zwei Parteien".
Das ist eine Botschaft an die Österreicherinnen und Österreicher, die eigentlich nur Zweier-Bündnisse im Bund kennen - mit zwei Ausnahmen gleich nach 1945, als ÖVP, SPÖ und KPÖ gemeinsam regierten.
Außerdem sei die Ausgangslage für NEOS in Österreich besser, als sie es zu Beginn der Ampel für die FPD war. NEOS stimme "vor allem in wirtschaftspolitischen Fragen" größtenteils mit der ÖVP überein. Die FDP in Deutschland sei da Rot-Grün allein gegenüber gestanden.