Untersuchungsbericht zu "Pegasus" "Eine Schande für die Demokratie"
Zehntausende Handys wurden vermutlich durch die Software "Pegasus" ausgespäht - teils in staatlichem Auftrag. Ein Jahr lang hat ein Ausschuss des EU-Parlaments die Fälle untersucht. Heute wird über den Abschlussbericht abgestimmt.
Die Spähsoftware "Pegasus" soll eigentlich nur im Kampf gegen schwere Verbrechen und Terror eingesetzt werden, beteuert die israelische Betreiberfirma. Doch Investigativ-Journalisten fanden vor etwa zwei Jahren heraus, dass Handys massenhaft mit der Software infiziert wurden. Von möglicherweise rund 50.000 Telefonnummern war die Rede.
Offenbar passierte das im staatlichen Auftrag, um unliebsame Personen einzuschüchtern. Opfer wurden Journalisten, Richterinnen und oppositionelle Politiker auch in EU-Ländern. Aber auch ihre Angehörigen konnten mit der Software ausgespäht werden.
Ein Jahr lang hat der Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zum Einsatz von "Pegasus" und ähnlicher Software recherchiert. Heute stimmt es über den 166-seitigen Abschlussbericht ab.
Die Abgeordneten wüssten nun, dass 14 EU-Staaten "Pegasus" unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit und der Terrorismusbekämpfung erworben hätten, sagte die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst gestern im Parlament in Straßburg. Ihr Fazit: Es ist eine Schande für die Demokratie. Unter den Staaten seien unter anderem Griechenland, Spanien, Polen und Ungarn.
Viele EU-Länder halfen nicht bei der Aufklärung
Viele kritische Worte der Abgeordneten richten sich während der Parlamentsdebatte an die Mitgliedsländer. Die hätten dem Untersuchungsausschuss bei seiner Aufklärungsarbeit so gut wie gar nicht geholfen, kritisieren sie. 27 Fragebögen wurden verschickt. Auf manche wurde erst gar nicht geantwortet.
Hilfreicher sei der Austausch mit den Betroffenen selbst gewesen. Die Abgeordneten reisten unter anderem nach Griechenland, Polen und Spanien und sprachen auch mit Sachverständigen. Dabei stellte sich heraus, dass die Opfer in Ungarn und Polen besonders schutzlos waren. In Polen soll "Pegasus" Teil eines Systems zur Überwachung der Opposition oder von Kritikern der umstrittenen Justizreform der rechtskonservativen PiS gewesen sein. In Ungarn soll man es vor allem darauf abgesehen haben, die Medienvielfalt zu zerstören.
In beiden Ländern hätten Kontrollmechanismen gefehlt. Teilweise erfuhren die Betroffenen von dem Spähangriff nur über einen Hinweis des Handy-Herstellers.
Spähattacken gegen katalanische Separatisten
In Spanien sei in knapp 50 Fällen unklar, wer den Einsatz von Spähsoftware genehmigt habe. Dort richteten sich die Attacken unter anderem gegen katalanische Separatisten. Die Abgeordneten attestierten Spanien immerhin einen funktionierenden Rechtsstaat.
EU-weit werde reguliert, welcher Stecker und welche Kabel in die Handys gehören, schlussfolgert die Vizepräsidentin des Parlaments, Katarina Barley, nach den Recherchen. Doch es gebe keine Regeln zur Spähsoftware. Unter anderem müsse man sich darauf einigen, was als nationale Sicherheit zu verstehen ist. Dazu brauche es eine gemeinsame Definition, zum Beispiel über eine Positivliste, die festlegt, was darunter fallen soll. Dann, so die Hoffnung, könnten Staaten das nicht mehr als willkürlichen Vorwand nehmen, die Spähsoftware einzusetzen.
Fraglich, ob EU-Länder einlenken
Ebenso brauche es eine bessere parlamentarische Kontrolle, angemessenen Opferschutz und eine Anlaufstelle, um Spähattacken auf dem Handy zu überprüfen, sagt Barley. In schwerwiegenden Bedrohungen jedoch, räumt der Untersuchungsausschuss ein, könne der Einsatz der Technologie angemessen sein. Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner fordert zunächst ein Moratorium für den Einsatz der Software.
Am Mittag soll über die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses abgestimmt werden. Ob er die Mitgliedsstaaten zum Einlenken bewegt, ist fraglich.