Krieg gegen die Ukraine Das schwierige Verhältnis von Polen und der Ukraine
Die Spannungen zwischen der Ukraine und Polen werden immer größer. Das zeigt sich in der Politik, aber auch in der Bevölkerung gibt es einen Stimmungswechsel. Was beide Länder zusammenhält ist die Angst vor Russland.
Als Polens Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski seinen 70. Geburtstag feierte, meldete sich per Video auch Leonid Kuczma mit Glückwünschen. Er war Präsident der Ukraine - wie Kwasniewski bis 2005.
Kwasniewskis politischer Weggefährte wirbt um Verständnis für die Sichtweise seines Landes. "Sogar die engsten Freunde haben ihre eigenen Realitäten", sagt Kuczma. "Wir sagen scheinbar das Gleiche, aber mit unterschiedlicher Intonation und anderen Worten. Sogar die Zeit vergeht anders in der Ukraine. Wir zahlen auch einen anderen Preis. Wo man im Westen Zeit verliert, um der Ukraine zu helfen, verlieren wir Leben."
Heute werde die polnisch-ukrainische Einheit in Frage gestellt, durch "Ambitionen einzelner Akteure auf beiden Seiten der Grenze", so Kuczma. Das dürfe man nicht zulassen.
Gegenseitige Beschuldigungen
Tatsächlich wächst in Kiew und Warschau der Frust. Polens Embargo gegen ukrainische Getreideimporte und die Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Polen müsse mehr helfen und russische Raketen auch über ukrainischem Gebiet abschießen, führen zu Spannungen.
Warschau suche nur nach Ausreden, um nicht mehr Kampfjets zu liefern, hatte Selenskyj zudem im Oktober erklärt und dafür eine ebenso deutliche Absage aus Polen kassiert.
"Selenskyj will mit solchen Aussagen Polen in den Krieg gegen Russland ziehen", sagte Polens stellvertretender Premierminister Krzysztof Gawkowski. "Es ist unsere Pflicht, dafür zu kämpfen, dass die Ukraine besteht und den Krieg gewinnt. Aber bestimmt nicht, Polen in den Krieg gegen Russland zu führen."
Außenminister Radoslaw Sikorski ergänzte, Selenskyj müsse verstehen, dass auch Polen Russland abschrecken müsse. Er solle seine Forderungen besser an nicht so frontnahe Staaten weiter westlich adressieren.
Historische Aufarbeitung gewünscht
Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Selenskyj in Warschau von den gemeinsam schlagenden polnischen und ukrainischen Herzen sprach und erklärte, zwischen Polen und der Ukraine werde es keine politischen, ökonomischen, vor allem keine historischen Grenzen geben.
Gerade hier wünscht man sich in Warschau ein Entgegenkommen - bei der historischen Aufarbeitung der Wolhynien-Massaker an zehntausenden polnischen Zivilisten, verübt von in der Ukraine bis heute verehrten Nationalisten.
Allerdings sperrt Kiew sich gegen die Exhumierung der Leichen, zum Unverständnis des polnischen Außenministers Sikorski: "Die Ukraine hat der Bestattung von 100.000 Wehrmachtsoldaten zugestimmt. Unsere Verstorbenen und Ermordeten sollten nicht schlechter behandelt werden."
Stimmungswandel in der Bevölkerung
Auch in der Bevölkerung ist der Stimmungswandel zu spüren. Nur noch gut die Hälfte der Polinnen und Polen will weiter Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen. Knapp zwei Drittel wollen überhaupt nur noch denen helfen, die direkt aus von Russland besetzten Kampfgebieten kommen.
Was beide Länder noch zusammenhält, ist vor allem die Angst vor Russland. So erklärte Polens Premier Donald Tusk nach seinem Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte: "Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine. Die Mitgliedstaaten der EU müssen dafür sorgen, dass Entscheidungen über - gebe es Gott - die Beendigung oder das Einfrieren des Konflikts, in völliger Übereinstimmung mit den Staaten der Ostflanke, vor allem mit der Ukraine erfolgen."
Alleingänge, wie der Anruf von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin, helfen da nicht - dabei sind sich Kiew und Warschau einig. Aber die Spannungen sind unübersehbar, und sie dürften vor allem einen freuen: Kremlchef Putin.