Rede zur Lage der Nation Putin warnt Westen vor Truppeneinsatz in Ukraine
Russlands Präsident Putin hat seine Rede zur Lage der Nation genutzt, um erneut den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Zudem warnte er den Westen vor dem Einsatz von Bodentruppen. Für die Bürger gab es Wahlkampfversprechen.
Zwei Wochen vor der Präsidentenwahl in Russland hat sich Amtsinhaber Wladimir Putin in seiner traditionellen Rede zur Lage der Nation an die russischen Bürgerinnen und Bürger gewandt. Einen Fokus legte er dabei erneut auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die "militärische Spezialoperation", wie der Krieg von der russischen Führung bezeichnet wird, werde "von der absoluten Mehrheit der Bevölkerung" unterstützt, erklärte Putin. Belege für diese Behauptung lieferte er nicht.
In seiner live übertragenen Ansprache vor der Föderalen Versammlung - der Staatsduma und dem Föderationsrat - dankte er den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen für die Unterstützung bei der "militärischen Spezialoperation". Das Volk arbeite in drei Schichten, um die Bedürfnisse der Front zu decken. Zugleich forderte er die Bürger auf, die Armee zu unterstützen. Privatleute sollten Geld, aber auch Winterkleidung für die Soldaten spenden, die Putin als "Helden" bezeichnete.
Auf Kritik am Angriffskrieg ging der Präsident nicht ein. Offene Proteste sind in Russland zwar nicht möglich, doch immer wieder gibt es vor allem im Internet russische Stimmen, die sich deutlich gegen den Krieg stellen - trotz hoher Strafen.
Kremlchef: NATO ist eine Bedrohung
Einmal mehr erneuerte Putin den Vorwurf, dass der Westen für den Krieg verantwortlich sei. Russland "verteidigt seine Souveränität und Sicherheit und beschützt unsere Landsleute" in der Ukraine, behauptete Putin. Dass es sich bei der Ukraine um einen souveränen Staat handelt, ließ er erneut außer Acht. Die gefallenen russischen Soldaten wurden mit einer Schweigeminute geehrt.
Der Kremlchef hat wiederholt, er habe im Februar 2022 Soldaten in die Ukraine geschickt, um russische Interessen zu schützen und um zu verhindern, dass die Ukraine durch einen NATO-Beitritt zu einer großen Sicherheitsgefahr für Russland werde. Die ukrainische Regierung und ihre westlichen Verbündeten streiten das ab, der Angriff sei ein nicht provozierter Akt der Aggression.
Westliche Führer hätten nicht verstanden, wie gefährlich ihre Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands sein könnte, betonte Putin. Der Westen lege ein koloniales Verhalten an den Tag und versuche Konflikte zu schüren - auch innerhalb Russlands, sagte der 71-Jährige.
Möglicherweise spielt der Präsident damit auch auf die verbliebenen Kremlkritiker im Land an. Mitte Februar war Russlands bekanntester Oppositionsführer Alexej Nawalny in einem russischen Straflager gestorben, in dem er eine 19-jährige Haftstrafe wegen Extremismusvorwürfen verbüßte. Auch andere Oppositionspolitiker und Menschenrechtler müssen sich immer wieder vor russischen Gerichten verantworten. Am Dienstag wurde Oleg Orlow zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt - ihm wird Diskreditierung der Armee vorgeworfen.
An die NATO gerichtete Drohungen
In seiner Rede ging Putin zudem auf den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein, der zuletzt den Einsatz von NATO-Bodentruppen in der Ukraine ins Spiel gebracht hatte. Es ist ein Vorschlag, der bereits von den Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien und anderen ausdrücklich abgelehnt wurde.
Die Gefahr eines Atomkriegs bestehe, wenn Truppen zum Kampf in die Ukraine geschickt würden, betonte der Kremlchef. Moskau verfüge über die Waffen, um Ziele im Westen anzugreifen. "Westliche Nationen müssen erkennen, dass wir auch Waffen haben, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können", sagte Putin. "All das droht wirklich ein Konflikt mit dem Einsatz von Atomwaffen und der Zerstörung der Zivilisation zu werden. Verstehen sie das nicht?"
Sichtlich verärgert forderte Putin - seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Spitze Russlands - westliche Politiker auf, sich an das Schicksal derjenigen zu erinnern, die in der Vergangenheit erfolglos in sein Land einmarschierten, etwa Adolf Hitler und Napoleon Bonaparte. "Aber jetzt werden die Folgen weitaus tragischer sein", sagte der Präsident. "Sie denken, es (Anm. d. Redaktion: gemeint ist der Krieg) sei ein Cartoon", sagte er.
Wiederwahl Putins gilt als sicher
Vom 15. bis 17. März finden die Präsidentschaftswahlen statt, bei denen der 71-Jährige als unabhängiger Kandidat antritt. Er verlässt sich auf die strenge Kontrolle über das politische System Russlands, die er in 24 Jahren an der Macht aufgebaut hat. Prominente Kritiker, die ihn herausfordern könnten, sind entweder inhaftiert oder leben im Ausland, während die meisten unabhängigen Medien verboten wurden. Er stößt auf symbolischen Widerstand von drei weiteren Kandidaten, die von im Parlament vertretenen kremlfreundlichen Parteien nominiert wurden. Damit dürfte Putins Wiederwahl so gut wie sicher sein.
Dennoch gab Putin in seiner Rede zu, dass es innenpolitische Herausforderungen gebe. Er räumte ein, dass noch immer 13,5 Millionen Menschen im Land unterhalb der Armutsgrenze lebten. Vor allem Großfamilien seien davon betroffen. Bei etwa 30 Prozent von ihnen sei die finanzielle Lage prekär. Bis 2030 solle dieser Anteil auf zwölf Prozent gesenkt werden, forderte er.
Wahlkampfversprechen an Russlands Bürger
Als Maßnahmen zur Stützung der Familien stellte Putin soziale Hypothekenprogramme, höhere Steuerfreibeträge für Kinder und regionale Sozialprogramme vor, die aus dem föderalen Haushalt gestützt werden sollen. Der Mindestlohn solle von 19.000 Rubel (190 Euro) im Monat bis 2030 auf 35.000 Rubel (350 Euro) steigen.
Durch die Verbesserung des Gesundheitswesens und Investitionen in Sport-Infrastruktur soll seinen Angaben zufolge die Lebenserwartung in Russland von derzeit 73 auf 78 Jahre bis 2030 steigen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Lebenserwartung für Männer bereits jetzt offiziellen Angaben nach bei mehr als 78 Jahren, bei Frauen bei mehr als 83 Jahren. Wie der Kremlchef die Programme auch angesichts des kostspieligen Krieges finanzieren möchte, ließ er offen.
Es ist Putins 19. Rede zur Lage der Nation. Zuletzt hatte der Präsident im Februar 2023 die Rede gehalten und dabei die Aussetzung des Atom-Abrüstungsvertrags New Start erklärt. Im ersten Kriegsjahr hatte er die Rede zur Lage der Nation ausfallen lassen.
In einer früheren Version dieses Artikels war ein falsches Datum zum Tod des Kremlkritikers Nawalny angegeben. Wir haben dies korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen