Sanktionen angekündigt EU macht Putin für Tod Nawalnys verantwortlich
Als Reaktion auf den Tod von Alexej Nawalny hat die EU weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt. Sie macht Putin für den Tod des Kremlkritikers verantwortlich. Auch die USA erwägen weitere Sanktionen.
Deutschland und weitere 26 EU-Staaten haben deutlich Stellung zum Tod des Kremlkritikers Alexej Nawalny bezogen: "Die Europäische Union ist schockiert über den Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, für den letztlich Präsident Putin und die russischen Behörden die Verantwortung tragen", heißt es in einer durch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell veröffentlichten Erklärung.
Noch deutlicher hatte sich zuvor unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geäußert. Sie geht von einer gezielten Ermordung Nawalnys aus. Sie habe bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit der Witwe von Nawalny gesprochen und diese habe sehr eindrücklich geschildert, dass Nawalny noch am Tag vor dem Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz über einen Videolink an einer Anhörung teilgenommen habe, sagte von der Leyen am Rande einer CDU-Vorstandssitzung. Da habe er gescherzt und es sei sichtbar gewesen, dass es ihm gut geht. Julia Nawalnaja habe auch darauf hingewiesen, dass ihr Mann erst 47 Jahre alt und gesund gewesen sei. "Ihre Äußerungen haben das noch mal sehr deutlich bestätigt, dass er gezielt ermordet worden ist", fügte von der Leyen hinzu.
EU und USA erwägen Sanktionen
Kommt Russland der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung der Todesumstände nicht nach, droht die EU mit neuen Sanktionen. Zur Durchsetzung will die EU ein spezielles Instrument zur Bestrafung von schweren Menschenrechtsverstößen anwenden.
Dieses soll nach Nawalny benannt werden. Laut EU-Außenbeauftragten Borrell hätten die Außenminister einem entsprechenden Vorschlag in Brüssel zugestimmt. Die Umbenennung werde ein Weg sein, das Andenken an Nawalny aufrechtzuerhalten. Das Sanktionsregime solle künftig weltweite Nawalny-Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte heißen. Erstmals wurde es 2021 verwendet, um russische Staatsfunktionäre für die Inhaftierung Nawalnys zu bestrafen. Die EU rief die russischen Behörden zudem dazu auf, die bei den Trauerkundgebungen festgenommenen Menschen freizulassen.
Und auch die US-Regierung schließt nicht aus, gegen Russland weitere Sanktionen zu verhängen. "Wir haben bereits Sanktionen verhängt, aber wir erwägen zusätzliche Sanktionen", sagte US-Präsident Joe Biden in Washington auf Nachfrage von Reportern.
Deutschland bestellt russischen Botschafter ein
Der Tod des Kreml-Kritikers Nawalny hat auch diplomatische Konsequenzen: Das Außenministerium bestellte den russischen Botschafter ein. Es sei erschütternd, dass Präsident Wladimir Putin versuche, die eigene Bevölkerung mundtot zu machen, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Die politisch motivierten Verfahren gegen Nawalny sowie gegen zahlreiche weitere Kritiker der russischen Regierung und die unmenschlichen Haftbedingungen zeigten, wie brutal die russische Justiz gegen Andersdenkende vorgehe und mit welchen Mitteln Putin die Meinungsfreiheit in Russland unterdrücke, sagte die Sprecherin. "Wir verurteilen dies auf das Allerschärfste und fordern ausdrücklich die Freilassung aller in Russland aus politischen Gründen Inhaftierten."
Die Bundesregierung forderte Russland auf, den Leichnam Nawalnys an die Familie zu übergeben, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit ergänzte. Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Außenministerin Annalena Baerbock hätten ein Gespräch mit Nawalnys Witwe Julia geführt. Es müsse eine unabhängige Untersuchung zur Todesursache des Oppositionspolitikers geben.
Weitere Länder ziehen diplomatische Konsequenzen
Auf Deutschland folgten Finnland, Schweden sowie Estland, Lettland und Litauen: Sie luden ebenfalls die russischen Botschafter und Stellvertreter vor. Sie alle pflichten der Forderung an Russland bei, eine vollständige und transparente Untersuchung zuzulassen. In Tallinn, Riga und Vilnius sei der Tod von Nawalny verurteilt und betont worden, dass die Verantwortung dafür beim Kreml liege, hieß es in einer Mitteilung.
Witwe will Arbeit Nawalnys fortsetzen
Auch Julia Nawalnaja, die Witwe des Oppositionsführers, meldete sich in einer Videobotschaft zu Wort. Putin habe ihr den liebsten und wertvollsten Menschen genommen, die Hälfte ihrer Seele und ihres Herzens, sagte Nawalnaja. "Aber ich habe eine zweite Hälfte - und die sagt mir, dass ich kein Recht zum Aufgeben habe."
Sie erklärte, sie werde das Werk ihres Mannes fortsetzen und für ein freies Russland kämpfen. "Ich will in einem freien Russland leben, ich will ein freies Russland aufbauen". Sie erhob schwere Vorwürfe gegen den russischen Machthaber: "Wladimir Putin hat meinen Mann getötet."
In ihrem Video zeigte Nawalnaja auch ein Bild der Mutter, die in der Polarregion nach ihrem toten Sohn sucht.
Mutter hat weiter keinen Zugang zu Leichnam
In Russland warten Nawalnys Mutter und dessen Anwälte weiter darauf, endlich den Leichnam sehen zu dürfen. Wie Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch mitteilte, wurde Ljudmila Nawalnaja nicht in die Leichenhalle in der nordrussischen Stadt Salechard gelassen. "Auf die Frage, ob sich dort Alexejs Körper befindet, antworten die Mitarbeiter nicht", schrieb Jarmysch auf dem Nachrichtendienst X. Einer der Anwälte sei buchstäblich aus der Leichenhalle hinausgestoßen worden.
Inzwischen soll die Mutter Nawalnys darüber informiert worden sein, dass die Leiche erst in 14 Tagen herausgegeben werde, weil es angeblich "chemische Untersuchungen" geben solle.
Angehörige und das Team Nawalnys fordern den russischen Machtapparat seit Tagen zur Herausgabe der Leiche auf. Nawalnys Mutter hatte bereits am Samstag vergeblich die Leichenhalle aufgesucht, um die sterblichen Überreste ihres Sohnes in Empfang zu nehmen.
Kreml: Untersuchung der Todesursache läuft noch
Die Untersuchung der Umstände von Nawalnys Tod laufen nach Angaben des Kreml noch immer. "Bisher wurden die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht veröffentlicht und sind entsprechend auch nicht bekannt", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Deutschlands ehemaliger Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, glaubt, dass der russische Staat Nawalny auch nach dessen Tod fürchtet. Der Politiker sei weiterhin eine "ungeheure Herausforderung", sagte der Ex-Diplomat im Interview mit den tagesthemen. "Wieviel Angst muss dieses Regime vor dem Mann und vor seinem Volk haben, wenn es Menschen verhaftetet, die Blumen niederlegen, um eines toten Kritikers zu gedenken?" Nawalny habe mit seinem Tod einen letzten Sieg über den russischen Präsidenten Wladimir Putin errungen, indem er dem Land und der ganzen Welt gezeigt habe, dass er der wahre Held sei.