Russland Neuer Prozess gegen Menschenrechtler Orlow
Überschattet vom Tod Nawalnys hat in Russland ein neuer Prozess gegen den Menschenrechtler Orlow begonnen. Er hatte den Krieg gegen die Ukraine kritisiert. Seine Unterstützer zitieren nun Nawalny: "Gebt nicht auf!"
Der Kriegskritiker Oleg Orlow von der Menschenrechtsorganisation Memorial steht in Russland wieder vor Gericht. Überschattet vom Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny begann der Prozess am Freitag in Moskau. Orlow hatte sich im Jahr 2022 in einem Artikel deutlich gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine positioniert. Im vergangenen Jahr wurde er deshalb wegen "Diskreditierung" der russischen Armee mit einer Geldstrafe belegt.
Im Dezember annullierte ein Gericht das Urteil und verwies den Fall zurück an die Staatsanwaltschaft. Damit machte es den Weg frei für den neuen Prozess, in dem Orlow nun eine mehrjährige Haftstrafe droht.
Orlow und seine Unterstützer sprechen von einem politisch motivierten Prozess. Die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation Memorial ist in Russland bereits verboten. "Der Tod von Alexej Nawalny ist eine Tragödie (...) für alle, die wollen, dass Russland ein demokratisches Land wird", teilte sie nun mit. Jetzt gelte es, nach folgenden berühmten Worten Nawalnys zu handeln, fügten die Menschenrechtler hinzu: "Gebt nicht auf!"
Als "ausländischer Agent" eingestuft
Vor Gericht erschienen neben Orlows Anwältin Katerina Tertuchina auch Dutzende Unterstützer Orlows, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. "Ich bekenne mich nicht schuldig und ich verstehe die Anklage nicht", sagte Orlow demnach mit fester Stimme vor dem bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal.
Dann wiederholte er seine Kritik am Machtapparat von Kremlchef Wladimir Putin: "Meiner Meinung nach erfolgte der Einmarsch der russischen Truppen auf ukrainisches Gebiet zum Nachteil meines Vaterlandes, zum Nachteil meiner Interessen und der Interessen anderer Bürger Russlands." Zudem erklärte Orlow, dass er keine Zeugen zu seiner Verteidigung zulassen werde, um diese nicht in Gefahr zu bringen.
Anfang Februar hatte das russische Justizministerium Orlow wegen seiner Kriegskritik als "ausländischen Agenten" eingestuft. Mit dieser Bezeichnung lässt die russische Führung immer wieder Oppositionelle und Kritiker brandmarken. Die Einstufung bringt zahlreiche Nachteile mit sich und schürt Angst bei Unterstützern, der Zusammenarbeit bezichtigt zu werden. Vor diesem Hintergrund erklärte Orlow, dass er lediglich darum bitte, am Ende des Prozesses das letzte Wort sprechen zu dürfen.
Organisation 2021 aufgelöst
Orlow ist einer der wenigen russischen Oppositionellen, die nicht im Gefängnis sitzen oder im Exil sind. Er hat einen Großteil seines Lebens damit verbracht, Rechtsverletzungen zu dokumentieren - bereits in der Sowjetunion sowie in jüngerer Zeit. Seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine vor rund zwei Jahren hat er diese mehrfach kritisiert.
Vor Kurzem hatte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP erklärt, er werde den Kampf weiterführen. "Ich möchte nicht im Gefängnis enden - aber habe ich eine andere Wahl?" sagte er. Die russischen Behörden hatten Memorial im Dezember 2021 aufgelöst.