
Stimme gegen Kreml-Propaganda Rettet eine tschechische Allianz Radio Free Europe?
Dem US-Auslandssender Radio Free Europe droht das Aus, denn Präsident Trump will ihm das Budget kappen. Während Autokraten rund um den Globus Beifall klatschen, formiert sich in Europa eine Allianz, die den Sender retten will.
Die freie Information als Samenkorn für die Freiheit überhaupt - das ist das Lebensthema für Jefim Fistejn. Er ist einer der Veteranen des Senders Radio Free Europe, begleitet ihn seit fast 45 Jahren. Vor der Wende war er zunächst in der tschechoslowakischen, später in der russischen Redaktion.
Auch wenn Fistejn sich vor den US-Wahlen für Donald Trump ausgesprochen hat - in puncto Radio Free Europe will er ihm nicht folgen. Gerade die Sendungen nach Russland seien heute nötiger als je zuvor, meint Fistejn.
Stimme gegen Kreml-Propaganda droht Aus
Der US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) gilt als "Prager Stimme" gegen Kreml-Propaganda: Von den Studios in der tschechischen Republik aus werden TV- und Radioprogramme in fast dreißig Sprachen ausgestrahlt.
Sie sind für die Regionen der Welt bestimmt, in denen freie Informationen nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind. Doch nun droht das Aus, denn US-Präsident Trump hat drastische Budgetkürzungen angeordnet.
"Russland ist gegenwärtig ein zu einhundert Prozent totalitärer Staat", sagt Fistejn. "Alle Informationen werden gesiebt und selektiert - von der Regierung, den Behörden. Und sie werden den Bürgern so weitergegeben, dass sie ins offizielle, gewünschte Bild passen." Radio Free Europe sei eine der wenigen Institutionen, die dazu ein Gegengewicht darstellen könne. Man könne darüber reden, den Sender zu verschlanken - aber er müsse erhalten bleiben.
Sender besonders im Baltikum relevant
RFE/RL ist besonders in Russland und in den postsowjetischen Gebieten aktiv. Der Sender will eine andere Perspektive bieten als die Moskauer Staatsmedien und die russischen Regierungs-Narrative.
Relevant ist das auch innerhalb der EU: In den baltischen Staaten gibt es eine große russische Minderheit, die sprachlich sonst keine Alternative zu den propagandagesättigten Moskauer Medien hat.
In Russland selbst wurde der Sender 2024 als "ausländischer Agent" eingestuft. Mitarbeiter werden schikaniert und verfolgt; wer Informationen aus dem Programm verbreitet - sei es in Russland selbst oder in den von Moskau besetzten Gebieten der Ukraine - muss mit Repressalien rechnen.
"Großes Geschenk an die Feinde Amerikas"
Für den Senderchef Stephen Capus ist die Kürzung deshalb ein "großes Geschenk an die Feinde Amerikas". Dennoch hofft er, seinen vom US-Kongress erteilten Auftrag weiterhin erfüllen zu können. Millionen von Menschen in autokratisch regierten Ländern seien auf die unabhängige, wahrheitsgetreue Berichterstattung des Senders angewiesen.
Capus verweist auch auf die lange Tradition: Radio Free Europe war 1949 auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges gegründet worden. Mehr als 75 Jahre habe man damit verbracht, das Vertrauen der Hörer zu gewinnen und ein einflussreiches Publikum aufzubauen, dies dürfe nun nicht einfach weggeworfen werden.
Rettungsaufruf von der tschechischen Regierung
Das findet auch Martin Dvořák, Minister für Europäische Angelegenheiten in der tschechischen Regierung. Als unmittelbare Reaktion auf Trumps Budgetkürzungspläne stieß er einen Rettungsaufruf an. Europa solle ein Fortbestehen des Senders garantieren, wenn sich die USA zurückziehe.
Eine gemeinsame Unterstützungserklärung wurde von zehn EU-Staaten unterzeichnet, darunter auch die Bundesrepublik. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine tschechische Initiative den Sender rettet. Schon einmal stand er vor der Schließung - in den 1990er-Jahren unter US-Präsident Bill Clinton, als es schien, dass die Freiheit global gesiegt habe und die Sendungen nicht mehr nötig seien.

Der tschechische Minister für Europäische Angelegenheiten mit Kolleginnen im Januar in Brüssel. Zehn EU-Staaten folgten seinem Aufruf, Radio Free Europe zu retten.
Erinnerung an die Wichtigkeit des freien Worts
Der tschechische Präsident Václav Havel überzeugte die US-Verwaltung damals, den Äther nicht aufzugeben und holte den Sender 1995 von München nach Prag. Die Erinnerung daran, wie wichtig ein freies Wort sein kann, um in der Unfreiheit die Hoffnung zu behalten - in Tschechien ist sie bis heute lebendig und mit den Sendungen von Radio Free Europa verbunden.
Deshalb wollen sie in Prag weiterkämpfen: der US-amerikanische Senderchef mit einer gerichtlichen Klage gegen die Kürzung der Mittel, der tschechische Minister mit seiner Finanzierungsinitiative auf europäischem Parkett und Jefim Fistejn mit seiner Hoffnung - schließlich mache die Arbeit doch Sinn. Er und seine Kollegen hätten doch schon einmal ein wenig dazu beigetragen, dass Menschen in Freiheit leben können.