Nach "Extremismus"-Urteil Offenbar Razzien in Moskauer LGBTIQ-Clubs
Kurz nach der Gerichtsentscheidung, die LGBTIQ-Community in Russland als extremistisch einzustufen, hat es in Moskau offenbar nächtliche Razzien gegeben. Die Polizei soll Ausweise fotografiert und Menschen festgenommen haben.
Einen Tag nach dem "Extremismus"-Erlass gegen die LGBTQ+-Community hat die russische Polizei Medienberichten zufolge koordinierte Razzien in Bars und Clubs in Moskau vorgenommen. In der Nacht sollen die Uniformierten unter dem Vorwand, Drogen zu suchen, in die Moskauer Lokale eingedrungen sein, wie auch in sozialen Netzwerken beschrieben wurde. Es habe Festnahmen gegeben.
Von der Polizei, die laut Augenzeugen etwa Pässe, darunter von Ausländern, fotografiert haben soll, gab es keine Stellungnahme. Videos zeigten mutmaßliche Beamte unter anderem vor einem beliebten Club, in dem gerade eine Veranstaltung lief. "Mitten in der Party hat die Musik aufgehört", berichtete ein Augenzeuge der Zeitung "Ostoroshno Nowosti".
Der Oberste Gerichtshof Russlands hatte am Donnerstag einen Antrag des Justizministeriums stattgegeben, die "Bewegung" für die Rechte queerer Menschen als "extremistisch" einzustufen. Das Urteil trat mit sofortiger Wirkung in Kraft. Das Gericht machte keine Angaben dazu, ob sich sein Urteil auf bestimmte Menschen oder Organisationen in Russland bezieht. Damit blieben dessen genaue Auswirkungen unklar.
Geldstrafe und Clubschließung in St. Petersburg
Am Freitag verurteilte ein Gericht in St. Petersburg einen Musik-Fernsehsender zur Zahlung von 500.000 Rubel (5.088 Euro), weil er ein Video des russischen Popstars Sergej Lasarew mit einer Szene zwischen zwei Frauen gezeigt hatte. Es verstieß demnach gegen das Verbot angeblicher "Homo-Propaganda", das öffentliche Darstellungen gleichgeschlechtlicher Liebe unter Strafe stellt. Am selben Tag verkündete zudem einer der ältesten Homosexuellen-Klubs St. Petersburgs seine Schließung. Den Schritt begründete die "Hauptstation" mit der Gerichtsentscheidung.
Die englische Abkürzung LGBTIQ steht für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle sowie queere Menschen. Angefügte Pluszeichen sowie Sternchen sollen als Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter dienen. Auf "Extremismus" stehen in Russland langjährige Gefängnisstrafen. In Russland sind etwa lesbische, schwule, trans- und bisexuelle Menschen seit Jahren politischer Verfolgung ausgesetzt.
Langjährige Repressionen
Der Menschenrechtsanwalt Max Olenitschew sagte der Nachrichtenagentur AP im Vorfeld der Entscheidung, damit würden organisierte Aktivitäten zur Verteidigung der Rechte der LGBTQ+-Szene verboten. Die russischen Behörden bestreiten, dass queere Menschen diskriminiert würden.
Die Direktorin des Moskauer Gemeindezentrums für LGBTQ+-Initiativen, Olga Baranowa, sagte, es sei "klar, dass sie uns einmal mehr als inländischen Feind darstellen, um den Fokus von all den anderen Problemen zu verlagern, von denen es in Russland reichlich gibt".
Unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahmen die Repressionen in den vergangenen Jahren massiv zu. Menschenrechtler beklagen, dass Gewalt gegen Homosexuelle oder auch Mordaufrufe für Täter folgenlos blieben. Betroffene verlassen Russland immer wieder.