Angriff auf die Ukraine Heftige Kämpfe um Kiew
Schüsse in Kiew und angeblich Hunderte tote Soldaten auf beiden Seiten. Die Lage im Krieg um die Ukraine bleibt unübersichtlich. Nun wendet sich Russlands Präsident Putin an die ukrainische Armee.
Die russischen Truppen haben bei ihrem Angriff auf die Ukraine nach eigenen Angaben die ukrainische Hauptstadt von Westen her blockiert. Zudem sei der strategisch wichtige Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew eingenommen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Tass zufolge mit. Dabei seien 200 Ukrainer getötet worden. Eigene Verluste gebe es nicht, behauptete das Ministerium.
Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung. Zuletzt hatte die Führung in Kiew mitgeteilt, Angriffe auf Hostomel zurückgeschlagen zu haben. Dabei hätten die russischen Truppen schwere Verluste erlitten. Die Einnahme des Flughafens in Hostomel würde bedeuten, dass Russland Truppen direkt zu den Außenbezirken Kiews transportieren kann. Der Flughafen verfügt über eine lange Landebahn, auf der schwere Transportflugzeuge landen können. Hostomel liegt etwa sieben Kilometer nordwestlich von Kiew.
"Die Stadt ist im Verteidigungsmodus"
Auch in der Hauptstadt selbst waren laute Explosionen zu hören. "Schrecklicher russischer Raketenbeschuss auf Kiew", erklärte Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. Die ukrainische Armee zerstörte nach eigenen Angaben zwei Raketen über Kiew im Flug. Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von drei Verletzten durch Raketenteile, "die Stadt ist im Verteidigungsmodus". Russland wolle zunehmend zivile Infrastruktur und Häuser zerstören, erklärte der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte.
Das ukrainische Militär liefert sich im Großraum Kiew eigenen Angaben heftige Gefechte mit russischen Truppen. Soldaten bezogen Verteidigungspositionen an Brücken, und gepanzerte Fahrzeuge rollten durch die Straßen. Militärsprecher Olexij Arestowytsch erklärte, die ukrainische Armee habe einige russische Hubschrauber und Militärtechnik zerstört. Ukrainische Truppen rückten mit schwerer Militärtechnik in Kiew ein, um die Hauptstadt zu verteidigen. Schüsse und Explosionen in einigen Gegenden bedeuteten, dass russische "Saboteure" ausgeschaltet würden.
Bevölkerung soll Molotow-Cocktails vorbereiten
Zuvor hatte das Verteidigungsministerium die Bevölkerung in Kiew aufgerufen, sogenannte Molotow-Cocktails zum Kampf vorzubereiten und Sichtungen über russische Militärtechnik zu melden. Einwohner sollten ihre Wohnungen nicht verlassen. Das ukrainische Heer warnte, russische Einheiten nutzten teilweise eroberte ukrainische Technik.
Das ukrainische Militär berichtete zudem von erheblichen Kämpfen in Iwankiw, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Kiew. Eine Brücke über einen Fluss sei zerstört worden. Einige Panzer seien mit Raketen in Brand geschossen worden. "Heute wird der härteste Tag", sagte der Berater des Innenministeriums, Anton Geraschtschenko, im Messenger-Dienst Telegram.
Ukraine: Verluste auf russischer Seite
Die ukrainischen Streitkräfte haben Russland nach eigenen Angaben bereits schwere Verluste zugefügt. Bisher hätten die einrückenden Truppen 2800 Soldaten "verloren", teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Dabei war unklar, ob es sich um getötete, verwundete oder gefangene Soldaten handeln soll.
Außerdem seien schätzungsweise bis zu 80 Panzer, mehr als 500 weitere Militärfahrzeuge sowie zehn Flugzeuge und sieben Hubschrauber zerstört worden. Die Angaben können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. Zuvor hatten die Streitkräfte mitgeteilt, es seien mehr als 1000 russische Angreifer getötet worden. "Wir sind stark! Der Sieg wird unser sein!", betonte das Ministerium. Das russische Verteidigungsministerium teilte hingegen mit, es gebe keine Verluste.
Putin spricht zur ukrainischen Armee
Der russische Präsident Wladimir Putin forderte die ukrainische Armee auf, die Macht in Kiew zu übernehmen und Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Regierung zu stürzen. "Nehmt die Macht in Eure Hände. Mir scheint, Verhandlungen zwischen Euch und uns wären einfacher", sagte Putin in einer an die ukrainischen Streitkräfte gerichteten Rede, die im russischen Fernsehen übertragen wurde.
Die Mitglieder der ukrainischen Regierung bezeichnete Putin als "Bande von Drogenabhängigen und Neonazis" und "Terroristen". Putin spricht dem unabhängigen Land Ukraine das Recht auf Eigenstaatlichkeit ab. Wiederholt sprach er von einer "Marionetten-Regierung" des Westens, die er "entnazifizieren" wolle. Der jüdische Präsident Selenskyj und seine Regierung sind durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen.
Der Ex-Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, meldete sich aus der Hauptstadt zu Wort. Er nannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin "einfach verrückt" und "böse". Es sei einfach nur bösartig, in dieses Land zu kommen und Ukrainer zu töten, sagte Poroschenko dem US-Sender CNN. Der Ex-Präsident war in den Straßen von Kiew zu sehen, umgeben von ukrainischen Streitkräften. Poroschenko war von 2014 bis 2019 im Amt und hatte 2015 den Friedensplan für die Ostukraine mit ausgehandelt.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.