Krieg gegen die Ukraine Separatisten rücken weiter auf Mariupol vor
Seit Tagen steht Mariupol unter Beschuss. Prorussische Einheiten rücken nach Kreml-Angaben weiter auf die ukrainische Hafenstadt vor. Die russische Armee kündigte derweil an, morgen neue Fluchtkorridore schaffen zu wollen.
In der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind prorussische Einheiten nach Angaben aus Moskau weiter auf dem Vormarsch. Kämpfer der selbst ernannten "Volksrepublik" Donezk seien seit dem Ende einer Waffenruhe bereits knapp einen Kilometer weit vorgedrungen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Offenbar noch keine russischen Soldaten in der Stadt
Mariupol am Asowschen Meer wird seit Tagen belagert. Nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium sei die Stadt von russischen Truppen eingekreist, doch diese seien nicht in der Stadt.
Die von Russland zugesagte Feuerpause war nach ukrainischen Angaben zuvor gebrochen worden. "Waffenruhe verletzt! Russische Streitkräfte beschießen jetzt den humanitären Korridor von Saporischschja nach Mariupol", schrieb der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko, am Mittag bei Twitter. Seit vergangenem Samstag sind bereits mehrere Versuche gescheitert, Menschen aus der 440.000-Einwohner-Stadt in Sicherheit zu bringen. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für gescheiterte Evakuierungsversuche verantwortlich.
Für die Menschen in der Hafenstadt ist die Lage nach Angaben humanitärer Helfer katastrophal. "Die Situation ist apokalyptisch", sagte der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf, Ewan Watson. In Mariupol gingen alle Vorräte zur Neige. Das IKRK habe sämtliche Bestände ausgeliefert und versuche, auf allen möglichen Wegen Nachschub ins Land zu bringen.
Russland kündigt lokale Waffenruhen an
Am Abend kündigte die russische Armee auch für Mittwoch die Öffnung mehrerer Fluchtkorridore in der Ukraine an. Ab 08.00 Uhr MEZ sollten lokale Waffenruhen gelten, meldeten russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf eine für humanitäre Fragen zuständige Abteilung des Verteidigungsministeriums. Damit sollen Zivilisten aus umkämpften Städten in Sicherheit gebracht werden können.
Erste offizielle Evakuierungsrouten für Zivilisten waren am Morgen eingerichtet worden, vor allem aus dem nordöstlichen Sumy. Auch aus der Region um die ukrainische Hauptstadt Kiew brachten sich zahlreiche Menschen in Sicherheit. In anderen Städten wie Butscha im Norden oder Mariupol sitzen weiterhin viele Zivilisten fest.
Separatisten benennen eigene Verluste
Nach eigenen Angaben erzielten Separatisten und russische Einheiten an verschiedenen Frontabschnitten in der Ostukraine Erfolge. Der Chef der von Russland als unabhängig anerkannten "Volksrepublik" Luhansk, Leonid Passetschnik, sagte, die Stadt Popasna sei erobert und ukrainische Kräfte seien eingekesselt worden. Erstmals räumten die Separatisten eigene Verluste ein. Seit Beginn der "Spezialoperation", wie Russland den Krieg in der Ukraine nennt, seien 47 Kämpfer der "Volksrepublik Donezk" getötet und 179 verletzt worden, sagte der Sprecher der prorussischen Kräfte im Gebiet Donezk, Eduard Bassurin, örtlichen Medien zufolge. Das russische Verteidigungsministerium machte zu eigenen Verlusten erneut keine neuen Angaben. Zuletzt wurde die Zahl von fast 500 getöteten Soldaten genannt.
Unterdessen wurden nach Angaben der Ukraine drei Menschen bei der Explosion einer Mine auf einer Straße in der Region Tschernihiw getötet. Drei Kinder seien verletzt worden, sagte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa. Die drei Erwachsenen seien am Tatort gestorben, während die Kinder mit unterschiedlich schweren Verletzungen in Krankenhäuser gebracht worden seien. Die Mine sei detoniert, als die Opfer mit einem Auto über den Sprengsatz gefahren seien.
Anti-Personen-Mine eingesetzt?
Es sei vermutlich das erste Mal seit Beginn der russischen Invasion vor knapp zwei Wochen, dass Zivilisten durch eine Anti-Personen-Mine getötet worden seien, sagte Denisowa der Nachrichtenagentur AFP. Die unter Stroh und Abfall versteckten Minen seien von der russischen Armee auf der Straße platziert worden. Der Einsatz solcher Waffen gegen die Zivilbevölkerung sei nach internationalem Recht verboten und stelle "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" dar, erklärte Denisowa.
Der Bürgermeister der umkämpften ukrainischen Metropole Charkiw warf den angreifenden russischen Truppen derweil den vorsätzlichen Beschuss ziviler Infrastruktur vor. "Kindergärten, Schulen, Entbindungsstationen, Kliniken werden beschossen", sagte Bürgermeister Ihor Terechow dem US-Fernsehsender CNN laut Übersetzung. "Wenn es um Hunderte zivile Gebäude geht, dann ist das kein Versehen. Das ist ein gezielter Angriff."