
Schengen-Abkommen 30 Jahre grenzfreies Europa - aber wie lange noch?
Vor 30 Jahren beendete das Schengen-Abkommen Grenzkontrollen zwischen einigen Staaten. Inzwischen gilt das fast überall in Europa. Aber Migration, Terror und Kriminalität stellen das grenzfreie Europa auf die Probe.
Neben der gemeinsamen Währung und dem Binnenmarkt gehört der freie Waren- und Personenverkehr zu den großen Errungenschaften der Europäischen Union. In Deutschland gaben kürzlich in einer Umfrage 72 Prozent der Befragten an, dass Schengen für sie mehr Vor- als Nachteile biete. Interessant ist auch, dass sehr viele EU-Bürger während der Grenzschließungen in der Corona-Pandemie überhaupt zum ersten Mal von Schengen hörten.
Corona stellte Schengen-Raum auf die Probe
Es sei die Zeit gewesen, als die offenen Grenzen sehr leichtfertig aufs Spiel gesetzt worden seien, sagte der spanische EU-Parlamentarier Juan Fernando Aguilar. Als damaliger Innenausschussvorsitzender beklagte er immer wieder die Corona-Politik der Mitgliedsstaaten: "In der Europäischen Union haben wir einen beispiellosen Angriff auf das wertvollste Gut der europäischen Integration erlebt - gegen Schengen."
Der freie Personenverkehr sei ein Grundrecht der Europäer. "Und als Parlament sagen wir, dass die von den Mitgliedstaaten einseitig verhängten Notstandsmaßnahmen im Widerspruch zum Schengen-Kodex stehen", so Aguilar. Er sah Schengen wie nie zuvor gefährdet: "Schengen steht auf dem Spiel."
Immer neue Belastungen für das grenzfreie Europa
Corona, Terror oder Migration, stellen das grenzfreie Europa vor immer neue Belastungen. Seit 2015 wurden mehr als 400 Grenzkontrollen bei der EU-Kommission angemeldet. Der voraussichtlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich dafür ausgesprochen, auch an allen Zufahrten in die Bundesrepublik Grenzkontrollen dauerhaft einzusetzen.
Im Ausnahmefall und zeitlich begrenzt, könnten solche Kontrollen zulässig sein, erklärte EU-Innenkommissar Magnus Brunner: "Es gibt im Schengen-Border-Kodex genaue Vorgaben, was man machen kann." Er habe Verständnis für gewisse Maßnahmen. "Aber man muss sich natürlich an die rechtlichen Voraussetzungen halten."
Schengen-Regeln für Grenzkontrollen überarbeitet
Nach einer Überarbeitung der Schengen-Regeln dürfen die EU-Mitgliedstaaten künftig für bis zu drei Jahre Grenzkontrollen verhängen. Das sei der Preis für das ungelöste Migrationsproblem, sagte der EU-Abgeordnete Pascal Arimont. Er vertritt im EU-Parlament die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens.
"Die illegale Migration ist in meinen Augen tatsächlich ein sehr dringendes Problem, das wir sehr schnell lösen müssen." Arimont sieht die Lösung allerdings nicht an den europäischen Binnengrenzen, sondern an den Außengrenzen.
Irreguläre Migration, Terror, organisierte Kriminalität
In jedem Falle müsse man mit solchen Binnenkontrollen vorsichtig umgehen, appellierte die innenpolitische Sprecherin der CDU/ CSU-Gruppe im EU-Parlament, Lena Düpont. Die Vorsitzende der parlamentarischen Arbeitsgruppe "Schengen und die Außengrenzen" sieht den Zustand des freien Personen- und Warenverkehrs ebenfalls mit großer Sorge: "Wenn wir Schengen wieder zu voller Funktionsfähigkeit verhelfen wollen, dann müssen wir insbesondere an die Gründe ran gehen, die Mitgliedsstaaten für die Wiedereinführung von temporären Kontrollen nennen."
Das seien vor allem irreguläre Migration, ebenso die Gefahr durch terroristische Bedrohungslagen. "Das ist aber vor allem auch die Bedrohung der inneren Sicherheit durch organisierte Kriminalität", so Düpont.
Deshalb muss die EU schnell neue Strategien für die innere Sicherheit entwickeln und ihre Sicherheitsbehörden mit den nötigen Kompetenzen und Ressourcen ausstatten - wie Frontex oder Europol. Und gleichzeitig muss, wie geplant, bis Juni 2026 auch das Gemeinsame Europäische Asylsystem umgesetzt werden.