Filmfestival Locarno Preise im Namen der Rebellion und der Freiheit
Die Preisverleihung des Filmfestivals von Locarno stand diesmal im Zeichen der Weltpolitik: Geehrt wurden unter anderem Beiträge aus dem Iran und der Ukraine. Auch zwei deutsche Künstlerinnen durften sich freuen.
Es ist ein hochpolitischer "Goldener Leopard" - die Jury habe einstimmig entschieden, betonte Jurypräsident Lambert Wilson in Locarno: Gewinner des Hauptpreises ist der iranische Regisseur Ali Ahmadzadeh für seinen Film "Critical Zone". Ein düsterer, trauriger, fast schon surrealer Film, in dem Amir, ein Drogendealer, durch das nächtliche Teheran fährt und seine vielen Kundinnen und Kunden mit Stoff versorgt.
"Schrei im Namen der Rebellion"
"Dieser Film ist ein 99-minütiger Schrei im Namen der Rebellion und der Freiheit", sagte Jury-Präsident Wilson bei der Preisverleihung. "Critical Zone" wurde ohne Erlaubnis der iranischen Behörden gedreht - der Regisseur durfte auch nicht nach Locarno reisen. Produzent Sina Ataeian Dena nutzte die Verleihung des "Golden Leoparden" für einen eindringlichen Appell:
Ich will, dass Sie wütend sind, dass Ali nicht hier ist. Ich will, dass Sie wütend sind, dass Künstler zensiert werden, nicht nur Ali, nicht nur im Iran. Ich will, dass Sie besorgt sind, dass die Meinungsfreiheit von links und rechts angegriffen wird.
Spezialpreis an Film aus Rumänien
Der Spezialpreis der Jury ging an den Rumänen Radu Jude für "Do not Expect too Much of The End of The World” - "Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt".
Ein "verzweifelt lustiger Film", so das Urteil der Jury über Judes rasantes anarchisches Werk, das Rumänien und seine Geschichte sowie das Europa von heute ironisch porträtiert. Ein Film über Arbeit, Ausbeutung und die Diktatur vulgärer digitaler Bilder, die die alten Diktaturen abgelöst hat.
Bewegender Film aus der Ukraine
Auch der "Leopard" für die beste Regie ging ins östliche Europa: an die ukrainische Regisseurin Maryna Vroda. In dem Film "Stepne", auf Deutsch "Steppe", erzählt sie die bewegende Geschichte eines Mannes, der in sein Heimatdorf zurückkehrt, um sich um seine sterbende Mutter zu kümmern.
"Stepne ist eine Geschichte über Verschwinden und Abschied", sagte Vroda in Locarno und erinnerte das Festivalpublikum an den brutalen Kriegsalltag in der Ukraine. "Viele meiner Freunde sind heute an der Front, sie kämpfen für ihre Heimat, ihre Freiheit, für unsere europäischen Werte - und vielleicht erleben wir ja den Moment, dass die Ukraine in die europäische Familie aufgenommen wird." Dann erinnert sie an die Namen ihrer Teammitglieder, die während der russischen Invasion getötet wurden.
Die junge deutsche Regisseurin Katharina Huber wurde beim Filmfestival in Locarno als beste Nachwuchsregisseurin ausgezeichnet.
"Lasst uns wütend sein und Künstler unterstützen!"
Mit den "Leoparden" und Preisen für Vroda, Jude und Ahmadzadeh endete das Festival von Locarno geprägt von künstlerischem Kampfgeist, an den auch der künstlerische Leiter des Festivals, Giona Nazzaro, appellierte: "Lasst uns nicht weinen - lasst uns wütend sein und Künstler unterstützen", rief er ins Publikum. Das Kino müsse frei sein, die Welt der Kunst eine freie Welt bleiben.
Auch das deutsche Kino gehört zu den Gewinnern dieses 76. Filmfestivals von Locarno. Zwar nicht im internationalen Hauptwettbewerb - dafür aber im Nachwuchswettbewerb "Cineasti del presente": Gleich zwei Preise gab es für den Film "Ein schöner Ort". Die junge deutsche Regisseurin Katharina Huber wurde als beste Nachwuchsregisseurin ausgezeichnet, Hauptdarstellerin Clara Schwinning gewann einen "Leoparden" für ihre Schauspielkunst.